Die Webseite „The 20-2-40-Style-Syndicate“ enthält eine umfangreiche Sammlung an digital aufbereiteten Bildern, Videos, Musik und anderen Quellen zur Alltagskultur der 1920er bis 1940er Jahre. Dabei verfährt sie nicht willkürlich, sondern hebt den Nationalsozialismus und seine Auswirkung auf Bereiche wie Mode, Tanz und allgemein öffentliches Leben hervor, womit einer gesellschaftlich weit verbreiteten Verdrängung der Thematik begegnet wird. Unter anderem beschäftigt sich die Homepage entsprechend mit der Swing-Jugend, ihrer Unterdrückung durch und ihrer jugendlichen Opposition gegen das NS-Regime.
Als Einführung werden zwei Zitate von offizieller NS-Seite vorangestellt, welche die aggressive aber auch verwunderte Haltung der Nationalsozialisten gegenüber jugendlichen Bedürfnissen allgemein und der Swing-Jugend im Besonderen veranschaulichen. Die Mittel zur nationalsozialistischen Erziehung der Jugendlichen waren entsprechend repressiv und bezogen sich zunächst auf die Gestaltung des Alltags und den Geschmack bezüglich Mode, Frisuren oder Musik der jungen Menschen. Vor diesem Hintergrund bietet die Webseite eine sehr anschauliche Beschreibung der Alltagskultur der Swing-Jugend, in der sich ein großer Teil ihres widerständigen Verhaltens ausdrückte.
Der modische Geschmack der Swing-Jugend grenzte sich stark ab von der nationalsozialistischen Vorstellung von einer Jugend, die sich an Ordnung, sexuellem und allgemein lustbezogenem Verzicht sowie militärischem Gehorsam orientierte. Die Jungen trugen etwa lange Haare, die sie frisierten, weite Jackets bis zu den Knien und breite Hosen. Mädchen trugen häufig offenes Haar, schminkten sich und rauchten in der Öffentlichkeit – allesamt Dinge, die der nationalsozialistischen Vorstellung von Weiblichkeit ganz grundsätzlich widersprachen. Diese und viele weitere, regional teils unterschiedliche Merkmale dienten dem internen Zusammenhalt sowie der Möglichkeit, sich gegenseitig auf der Straße zu erkennen – aber auch, die Bevölkerung zu provozieren. Dazu gab es auch kleinere Erkennungsmerkmale, etwa Anstecknadeln mit Club-Abzeichen. Auf der Webseite wird eine Bastelanleitung für einen solchen Button vorgestellt. Der Absatz gibt ein detailliertes Bild davon, wie die Swing-Mode ausgesehen haben mag und zeigt den lustvollen Charakter des Widerstands auf ohne dabei den erniedrigenden Unterdrückungsapparat des NS-Staates außer Acht zu lassen.
Bei der Swing-Jugend vereinte sich eine Faszination für Symbole, die der Haltung der Nationalsozialisten widersprach. Entsprechend war bereits ihr Geschmack – ob gewollt oder nicht – eine Form des Widerstands. Sie widersetzten sich der geforderten Ordnung und „lotterten“ viel lieber herum. Das bezog sich auch auf die Musik, die ihr schließlich den Namen gab. Swing, ebenso wie die dazugehörige Mode und der Tanzstil, lehnte sich an englische und US-amerikanische Vorbilder an. Viele von diesen Vorbildern waren zudem schwarz, was in scharfem Gegensatz zur rassistischen NS-Ideologie stand. Die Musik und entsprechend der Tanzstil, welcher von offizieller Seite geduldet wurde, waren an traditionelle Volkslieder angelehnt. Die Mode und der lustvolle schnelle Tanz – auch Hotten genannt – beim Swing gab daher Anlass, dass regimetreue Beobachter zur Verfolgung der Swing-Jugend aufriefen, da sie diese als gefährlich einschätzten. Zahlreiche Normbrüche, etwa die Beobachtung von regimetreuen Spitzeln, dass dort Jungen mit Jungen tanzten, führten zu einer zunehmenden Bestrafung. In dem Absatz sind Musikbeispiele gegeben, die jedoch aus rechtlichen Gründen leider nicht abgespielt werden können. Dafür können die entsprechenden Lieder jedoch anderweitig über das Internet gesucht und angehört werden.
Insgesamt war die oppositionelle Haltung der Swings in ihrem Lebensgefühl begründet, das sie nach außen hin präsentierten. Es war geprägt von lustvollem Umgang miteinander und mit sich selbst, dem eigenen Erscheinungsbild und den eigenen Bedürfnissen. Ob aus dem Lustbedürfnis die widerständige Haltung entstand oder ob die lustfeindliche Unterdrückung dazu führte, sich eine entsprechende Lebensweise anzueignen, mag je individuell unterschiedlich und vielschichtig ausgefallen sein. Viel wichtiger ist jedoch, diesen lustvollen Umgang im Alltag als Widerstand zu verstehen. Innerhalb eines gewaltvollen, unterdrückenden Systems umso mehr. Dazu gehört auch die sexuelle Freizügigkeit der Swings, die im Artikel besprochen wird. Sex wurde von den Jugendlichen abseits des alleinigen Zweckes der Fortpflanzung gelebt und die eheförmige Paarbeziehung lustvoll entthront. Es wird damit offensichtlich, dass Sexualität nicht bloß Sache des privaten Bereichs des Lebens ist, sondern ganz grundsätzlich eine politische Dimension hat. Denn es sind auch staatliche Reglementierung, gesamtgesellschaftliche moralische Festlegungen und ideologische Setzungen, die das Intime zum Politikum werden lassen und ordnen können, welche Sexualität mit Scham besetzt sein soll.
Am Ende des Textes sind einige Losungen, Liedtexte und Spottverse der Swing-Jugend angefügt, die ein Bild der politischen Überzeugung zumindest eines Teils dieser Jugendlichen zeigt.
Durch den anschaulichen Zugang zur Swing-Jugend bietet sich die Webseite für das Ende der Sekundarstufe I und in jedem Falle für Sekundarstufe II an. Die Themenseite kann sowohl in Teilbereiche aufgeteilt und zur Gruppenarbeit zur Verfügung gestellt werden, als auch in einer gemeinsamen Recherche erarbeitet werden. Durch Foto- und Musikbeispiele sowie Bastelanleitungen wird Schüler/innen und Jugendlichen ein anschauliches und nachvollziehbares Bild vermittelt. Der Einbezug der NS-Ideologie und Verfolgung vernachlässigt dabei nicht, einen historischen Kontext herzustellen und damit Unterschiede zwischen sich und der Zeit deutlich hervortreten zu lassen. Angesprochene Aspekte – sexuelles Begehren, Jugend-/Subkultur, Mode und Musik – sind Motive, die zumindest einen großen Teil von Jugendlichen auch heute bewegen und ein Interesse an dem Material wecken können.
Insgesamt bietet „The 20-2-40-Style-Syndicate“ eine umfangreiche digitale Materialsammlung, unter anderem in ihrem Online-Museum. Beim Browsen können so weitere Materialien für den Unterricht gesammelt werden.