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Mit dem Comic „Berlin. Geteilte Stadt“ von Susanne Buddenberg und Thomas Henseler wurde das Genre der Bildgeschichten, die Geschichte(n) erzählen um einen Band bereichert, der in fünf Erzählungen das Werden, Bestehen und Vergehen der Berliner Mauer anhand von realen Personen und Geschehnissen erzählt.
Die beiden Autor/innen haben Zeitzeug/innen interviewt und ihre Geschichten aus den Jahren zwischen 1961 und 1989 aufgezeichnet. Es sind Geschichten wie die von Regina Zywietz, die in Ostberlin wohnt und im Westen zur Schule geht, weil ihr als Tochter eines Pfarrers der Besuch einer Oberschule im sogenannten Arbeiter – und Bauernstaat verwehrt worden war. Urplötzlich ist am 13. August 1961 ihr Schulweg durch die Abriegelung der bis dahin durchlässigen Grenze versperrt. Die gemeinsame Hilfe eines Mitschülers und von Lehrkräften ermöglichen der jungen Frau die Flucht.
In einem anderen Kapitel lernt man Detlef Matthes, aus Biesenthal in der Nähe von Berlin, kennen. Schon als Junge ist er von dem weißen Fleck, den West-Berlin für die Bürger/innen der DDR darstellte, fasziniert. Mittels seines Fotoapparats dokumentiert er illegal Ansichten der Mauer und des Grenzregimes aus der Ostperspektive. Die Aufnahmen kann er nur heimlich zuhause entwickeln. Als zu Pfingsten 1987 aus Anlass der 750-Jahrfeier der Stadtgründung vor dem in West-Berlin liegendem Reichstag das „Konzert for Berlin“ stattfindet, versammeln sich auch jenseits der Mauer die Jugendlichen um David Bowie, New Model Army, den Eurhythmics und anderen Popidolen zu lauschen. Die Staatsmacht reagiert repressiv und nimmt 158 Jugendliche fest: Unter ihnen befindet sich Detlef Matthes, der auch in dieser Situation fotografiert hat. Matthes hat relatives Glück. Zwar muss er zur Untersuchungshaft in das Gefängnis der Staatssicherheit in Hohenschönhausen, wird aber im Zuge einer Amnestie freigelassen. Seinem anschließenden Ausreisantrag wird stattgegeben und Matthes kann ausreisen.
Auch von jenen, die weniger Glück bei dem Versuch hatten das von Staats wegen abgekapselte Land zu verlassen, ist die Rede. So in der Geschichte von Ursula Malchow, die über den Tod von Ernst Mundt berichtet, der am 4. September 1962 auf dem Sophien-Friedhof an der Bernauer Straße erschossen wird.
Die fünf Geschichten werden von Texten des Historikers Dr. Christian Halbrock (BStU) eingerahmt. Die Zeichnungen sind bis auf den colorierten Einband in Schwarz-Weiß gehalten. Damit treffen Budenberg und Henseler sicherlich in erster Linie die Erinnerungen und Perspektiven derer, die den zweiten deutschen Staat als Besucher/innen kennengelernt haben. Die Zeichnungen sind ausgesprochen genau und tragen zum dokumentarischen Eindruck beim Lesen bei. Gleichzeitig beschränkt die Art der Strichführung und das strikte Einhalten der Panels die Dynamik der Bilder, wodurch die Geschichten etwas hölzern wirken. Der etwas strenge Formalismus der Zeichnungen mag dem Umstand geschuldet sein, dass „Berlin. Geteilte Stadt“ sichtlich in pädagogischer Absicht konzipiert wurde. Trotzdem lässt sich der Band mit Gewinn lesen und stellt für den Einsatz im Oberstufenunterricht eine Bereicherung dar. Die Bundesstiftung Aufarbeitung hat mit ihrer Förderung des Projekts sicherlich dazu beigetragen den Einsatz des Mediums Comic im Unterricht zu befördern. Die Kombination von Zeitzeugenerzählungen und gezeichneten Bildgeschichten entspricht zeitgemäßen Ansätzen der Geschichtsvermittlung. Für einen wirklich multiperspektivischen Ansatz würde man sich allerdings noch weitere Geschichten wünschen, die von denjenigen berichten, die, sei es aus Überzeugung, Resignation, Opportunismus oder aus Furcht in der DDR geblieben sind und das System der Parteiendiktatur mittrugen.