Die Arbeit mit Zeitzeug/innen stellt eine große Herausforderung für Pädagog/innen und Schüler/innen dar. Wer ein Projekt dieser Art plant, kann im Internet auf zahlreiche kostenlos verfügbare Angebote zurückgreifen, die bei der Planung und Durchführung von Zeitzeug/innenprojekten behilflich sind. Zunächst stellen wir Ihnen drei Publikationen zur Theorie und Praxis der Arbeit mit Zeitzeug/innen vor. Was gilt es zu beachten und welche Probleme können auftreten? Im Anschluss daran finden Sie eine Auswahl sogenannten Zeitzeugenbörsen, mit deren Hilfe sich fast bundesweit geeignete Zeitzeug/innen finden lassen.
Die Publikation der Dresdner Brücke/Most Stiftung will bei der Planung und Durchführung von Spurensucheprojekten und Zeitzeug/innenbegegnungen in Unterricht und Projektarbeit unterstützen. Der Schwerpunkt des kostenlos verfügbaren Readers liegt dabei auf der Nutzung von digitalen Medien. Für die Broschüre haben die Autor/innen didaktische Grundlagen, nützliche Informationen, Tipps aus der Praxis und Hinweise auf geeignete Materialien, etwa zu Interviewtechniken, Zeitzeug/innenarbeit, Online-Journalismus, und Arbeitsmöglichkeiten im Internet zusammengestellt. Ergänzend stellen sie Beispiele für gelungene Unterrichtsprojekte mit digitalen Medien sowie unterschiedliche Herangehensweisen an schulische Zeitzeug/innenarbeit und Spurensucheprojekte vor. Die einzelnen Kapitel bieten praxisnahe Hilfestellung bei der Konzeption und Durchführung eigener Projekte mittels Checklisten und der Vorstellung erfolgreicher Projekte. Abgerundet wird der Teil zum Projektmanagement durch Tipps zur Öffentlichkeitsarbeit, zum Fundraising und zur abschließenden Projektdokumentation. Zu beachten ist, dass der Schwerpunkt der Broschüre weniger auf der Gesprächsführung oder der Figur des Zeitzeugen/der Zeitzeugin als auf der medialen Verwertung der aufgezeichneten Gespräche liegt. Wer ein digitales Projekt mit Jugendlichen und Zeitzeug/innen plant, findet hier eine praxisnahe Anleitung.
Der Zeitzeugenreader ist ein Kooperationsprojekt des Vereins Schulen ans Netz e.V. und der Brücke/Most Stiftung und kann auf der Homepage von Exil Club heruntergeladen werden.
Das Webportal http://www.zeitzeugengeschichte.de ist eine Austauschseite des Berliner Vereins Metaversa e.V. für hör- und sehbare Zeitzeugnisse des NS-Regimes, die von Jugendlichen und Multiplikator/innen produziert wurden. Ziel ist es, Zeitzeug/inneninterviews in Form eines öffentlichen und virtuellen Archivs zugänglich zu machen. Die Themenclips können für nichtkommerzielle Zwecke heruntergeladen und mit einem Hinweis auf die Quelle verwendet werden. Zusätzlich können Jugendliche, Bildungseinrichtungen, Schulen, Geschichtswerkstätten Interviews mit Zeitzeug/innen hochstellen und somit das Webportal lebendig mitgestalten. Um dies zu ermöglichen hat der Verein Metaversa e.V. einen Leitfaden erstellt, der alle Schritte erklärt, die getan werden müssen, um ein Zeitzeug/inneninterview durchzuführen, zu schneiden und bei Zeitzeugengeschichte.de hochzuladen. Der Schwerpunkt des Leitfadens liegt neben einer Einführung in Interviewtechniken mit Zeitzeug/innen und Oral History auf den technischen Informationen zur Erstellung von Audio- und Videomaterial, dem Schnitt und anschließendem Upload auf das Webportal. Der Leitfaden richtet sich dezidiert an Jugendliche und überzeugt durch seine Praxisnähe, insbesondere in Bezug auf die technische Seite der Zeitzeug/inneninterviews.
Auf der Homepage von Zeitzeugengeschichte.de kann der Leitfaden kostenlos heruntergeladen werden.
Im Rahmen des Projektes "Zeitzeugeninterviews - Informationen - Dokumente" der Robert-Havemann-Gesellschaft und des LISUM erstellten Astrid Rose und Birgit Wenzel praktische Informationen zur Arbeit mit Zeitzeug/innen der DDR. Übersichtlich aufgebaut führen die Materialien – besonders 6M und 7A – die Jugendlichen in die Befragung von Zeitzeug/innen ein und geben ihnen eine Schritt-für-Schrittanleitung für das eigene Projekt. Aufgrund der jugendgerechten Sprache und des DDR-Fokus' eignen sich die auf der Webseite des LISUM kostenlos verfügbaren Materialien sehr gut für die Projektarbeit mit Jugendlichen.
Der Bericht "Bildungsarbeit mit Zeitzeugen – Konzeption und Realisierungsansätze", verfasst von einem Autor/innenkollektiv der Humboldt-Universität Berlin, richtet sich explizit an Praktiker/innen der Bildungsarbeit. Auf der Grundlage des Projektes Zeitzeugenbörse (unten lesen Sie mehr dazu) analysierten die Wissenschaftler/innen die Frage, wie ein Mensch zu einem/r Zeitzeugen/in wird und was es hierbei in der pädagogischen Arbeit zu beachten gibt. Für Lehrer/innen, die sich in konzeptionelle Grundlage der Figur des Zeitzeugen einlesen wollen, eignet sich das erste Kapitel der Broschüre. Hier wird nicht nur beschrieben, wer ein Zeitzeuge ist, sondern auch, welche Rolle Zeitzeug/innen in der Öffentlichkeit einnehmen. Das zweite Kapitel hat die detaillierte Analyse der Berliner Zeitzeugenbörse zum Gegenstand. Aus der Evaluation des Projektes leiten die Autor/innen ein Seminarkonzept, bestehend aus vier Bausteinen, ab. Zwar sind diese Ausführungen sprachlich anspruchsvoller als die oben vorgestellten beiden Broschüren, doch kann sich die Lektüre lohnen. Insbesondere am Thema interessierte Lehrer/innen und im außerschulischen Bereich tätige Pädagog/innen finden hier eventuell Anregungen für die eigene Bildungsarbeit.
Schäffter, O., D. Doering, E. Geffers, H. Perbandt-Brun: Bildungsarbeit mit Zeitzeugen – Konzeption und Realisierungsansätze, Humboldt Universität zu Berlin 2005, 100 Seiten
Viele Menschen möchten als Zeitzeug/innen ihre Erfahrungen weitergeben, sich mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen und sich mit anderen Menschen austauschen. Deutschlandweit gibt es in vielen Städten und Regionen so genannte Zeitzeugenbörsen, die Zeitzeug/innen und Interessierte zusammen bringen. Im Folgenden stellen wir Ihnen einige davon vor.
Die Koordinierungsstelle "Zeugen der Zeit" vermittelt Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus ganz Rheinland-Pfalz sowie angrenzenden Gebieten an Schulen und andere Träger historisch-politischer Bildung und berät diese bei der Vorbereitung und Durchführung der Gespräche. Das Themenspektrum, zu dem Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zur Verfügung stehen, reicht von der Weimarer Republik bis zur deutschen Wiedervereinigung.
Die Zeitzeugenbörse in Berlin organisiert und vernetzt seit 1997 Erinnerungsarbeit. Aktuell stehen 180 Zeitzeug/innen für Vermittlungen zur Verfügung. Themenbeispiele sind die NS-Zeit in Berlin, Reichspogromnacht, Zwangsarbeit in Berlin, aber auch die Nachkriegszeit in DDR und BRD sowie Berlin nach der Wiedervereinigung. Ziel der Berliner Zeitzeugenbörse ist, die Vielfalt persönlicher Erfahrungen und Erlebnisse zu sammeln und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Angesprochen werden neben Schulklassen auch Journalistinnen und Journalist/innen sowie Wissenschaftler/innen.
Die Zeitzeugenbörse in Köln bringt Zeitzeug/innen und Interessierte im Raum Köln zusammen. Interessierte Zeitzeug/innen werden zunächst in einem persönlichen Gespräch beraten und lernen dann in regelmäßigen moderierten Treffen andere Zeitzeug/innen kennen, um ihre Erfahrungen austauschen zu können. Für Interessierte werden zurzeit Gespräche zu den Themen Drittes Reich, unmittelbare Nachkriegszeit sowie die 1950er und 1960er Jahre vermittelt.
Auch in anderen Regionen und Städten Deutschlands gibt es Angebote, Gespräche mit Zeitzeug/innen zu vermitteln. Häufig sind kleinere Zeitzeug/innenbörsen über Senior/innenvereinigungen wie in Hamburg oder private Initiativen wie in Bischofswerda organisiert. Zeitzeug/innen zur DDR-Geschichte können über das Portal DDR Zeitzeuge gesucht werden.