Das Grenzland der Tschechischen Republik war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges mehrheitlich von deutschsprachiger Bevölkerung besiedelt. Die Vertreibung dieser Menschen als eine Konsequenz aus den Verbrechen des Nationalsozialismus und die Wiederbesiedlung der Gebiete bedeutete einen Bruch mit dem jahrhundertelangen Zusammenleben von Deutschen und Tschechen in den böhmischen Ländern. Die Landschaft im Grenzland ist bis heute von diesem Einschnitt gezeichnet und erzählt so die Geschichte einer untergegangenen Welt.
Ausgehend von dieser Beobachtung hat sich der tschechische Verein Antikomplex zum Anliegen gemacht, eine Beschäftigung mit der gemeinsamen deutsch-tschechischen Vergangenheit und der lokalen Geschichte des Grenzlandes in der tschechischen Gesellschaft zu fördern. Zu den Aktivitäten des Vereins gehören Ausstellungen, öffentliche Diskussionen und Vorträge, die Veröffentlichung von Publikationen sowie Bildungsprojekte sowohl mit tschechischen als auch mit deutschen Lernenden.
In der Tschechischen Republik arbeitet Antikomplex mit zahlreichen Schulen und regionalen Initiativen zusammen. Dabei begreift der Verein die Wohnorte und Umgebung der Schülerinnen und Schüler als Lernort und leitete sie dazu an, sich mit der lokalen Geschichte um die Komplexe Krieg, Vertreibung und Neuansiedlung zu beschäftigen und diese als Teil der großen Geschichte zu verstehen.
Antikomplex ist zudem Partner für deutsche Vereine und Institutionen, die sich in der historischen Bildungsarbeit deutsch-tschechischen Themen widmen. Für den deutschsprachigen Raum ist vor allem das Buch und die Ausstellung „Das Verschwundene Sudetenland“ hervor zu heben, das die Veränderungen im tschechischen Grenzland in den vergangenen Jahrzehnten dokumentiert und somit den Einfluss historischer Brüche auf den Raum aufzeigt. Die Ausstellung wird auch in Deutschland gezeigt (die Termine befinden sich auf der Homepage von Antikomplex) und kann ausgeliehen werden.
Eine besondere Bildungsveranstaltung, die jeden Sommer von Antikomplex veranstaltet wird, nimmt die Idee des Spurenlesens in der Landschaft auf. Auf dem Rad erkunden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Woche lang eine Region, deren sichtbare Veränderungen Fragen aufwirft und die einschneidenden Veränderungen des 20. Jahrhunderts widerspiegelt, wenn man sie zu lesen weiß. Im Sommer 2012 führt diese Reise durch Nordböhmen und folgt unter dem Titel „Flucht nach Ägypten durch Nordböhmen“ nicht nur den Spuren des sich verändernden Grenzlandes, sondern auch denen der Heiligen Familie, die in Otfried Preußlers „Die Flucht nach Ägypten: Königlich böhmischer Teil“ Anfang des 20. Jahrhunderts das Land durchquerte.
In dem aktuellen Projekt „Grenzüberschreitungen“ arbeiten Antikomplex, der deutsche Verein Dialog mit Böhmen e.V., die Technische Universität Chemnitz und das Staatsarchiv im tschechischen Cheb an einem besseren Kennenlernen der regionalen Geschichte im tschechisch-sächsisch-thüringischen Grenzland. Im Rahmen des Projektes werden sowohl historische Forschung betrieben als auch Fachtagungen, Studienreisen und Schulprojekte organisiert.