Ausgehend von der Debatte um das Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen befasst sich das vorliegende Buch sowohl mit der historischen Forschung zu Homosexuellen im Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit, wie auch mit der gegenwärtigen Erinnerung an die Verfolgung.
Der erste Teil des Bandes beschäftigt sich mit den ideologischen und rechtlichen Voraussetzungen für die nationalsozialistische Verfolgung von Homosexuellen. Dabei werden auch Differenzen und Praktiken der unterschiedlichen Verfolgung von Männern und Frauen aufgezeichnet. Jens Dobler plädiert in diesem Zusammenhang dafür, dass die Verfolgung von schwulen Männern und lesbischen Frauen nicht gegeneinander aufgerechnet werden soll. Die Ausführungen zu polizeilicher und gesellschaftlicher Diskriminierung von Homosexualität im Nationalsozialismus leiten über zu einer Beschreibung von Homosexualität und Homophobie in den Konzentrationslagern. Neben einer Überblicksdarstellung von Insa Eschebach zum Konzentrationslager Ravensbrück und der Beschreibung Alexander Zinns zur Situation von männlichen Häftlingen mit dem rosa Winkel, skizziert Claudia Schoppmann vier Frauenporträts. Die Geschichten der lesbischen Frauen sind gekennzeichnet durch unterschiedliche Lebensumstände und Verfolgungssituationen. Hierbei wird deutlich, dass es nicht eine bestimmte Form der Verfolgung von lesbischen Frauen gab, sondern die rechtliche und ideologische Diskriminierung und Entrechtung auf unterschiedliche Weise stattfand. Insgesamt wird die Geschichte von lesbischen Frauen in dem vorliegenden Band ebenso ausführlich betrachtet wie die von schwulen Männern.
Besonders hervorzuheben sind die Artikel im dritten Teil des Buches, welche sich der Erinnerungsgeschichte und dem Gedenken an die verfolgten Homosexuellen widmen. Homosexuelle waren bis zur Mitte der 1990er Jahre eine kaum beachtete Gruppen von im Nationalsozialismus Verfolgten, was vor allem mit der anhaltenden Diskriminierung nach 1945 zu begründen ist. Klaus Müller benennt in seinem Artikel „Gedenken und Verachtung“ zwei maßgebliche Perspektiven bei der Erinnerung an Homosexualität im Nationalsozialismus. Zum einen beschreibt er den Mythos von homosexuellen Nazis, wobei in der Nachkriegszeit „Homosexualität […] als missglückte (sexuelle) Individuation denunziert“ (S.115) und mit Gewalt und Faschismus verbunden wurde. Zum anderen schildert der Autor die Verweigerung, die nationalsozialistische Homosexuellenverfolgung als Unrecht in den Nachkriegsgesellschaften anzuerkennen. In seiner Betrachtung der homosexuellen Gedenkkultur der 1970er Jahre bezieht er diese beiden Perspektiven mit ein. Sein Hauptfokus liegt dabei auf männlichen Homosexuellen, was der Autor mit der Fokussierung der staatlichen Verfolgung auf diese Gruppe, aber auch mit dem hierarchischen Geschlechterverständnis im Nationalsozialismus und der Zeit danach, begründet. Am Schluss des Aufsatzes ergänzt Müller eine Reflexion zum NS-Verständnis des weiblichen Geschlechts und der dazugehörigen Forschung. Außerdem stellt er eine umfangreiche Bibliografie zur Homosexuellenverfolgung zur Verfügung.
Thomas Rahe beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem Gedenken an Orten von ehemaligen Konzentrationslagern und der Informationsbereitstellung in den Dauerausstellungen der Gedenkstätten. Der Autor beschreibt die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschung zu der Thematik und weiterhin bestehende Forschungsprobleme und – defizite. Anhand von drei Punkten erläutert Rahe die Bedeutung von KZ-Gedenkstätten für die Vermittlung der Geschichte von homosexuellen Verfolgten im Nationalsozialismus. Erstens verspreche die hohe Besucherresonanz eine Breitenwirkung der Aufarbeitung dieser Geschichte und zweitens seien diese Institutionen, der einzige Ort an dem die Besuchenden darüber informiert werden, da in anderen Medien wie Schulbüchern die Thematik kaum angesprochen wird. Drittens sei laut dem Autor die Einbeziehung der Verfolgung von Homosexuellen in den Komplex der Konzentrationslager und die Präsentation neben der Verfolgung anderer Gruppen eine eindeutige Einordnung als Verbrechen.
Die weiteren Artikel befassen sich mit dem Homosexuellen-Denkmal in Berlin und dem in diesem Kubus gezeigtem Film. Stefanie Endlich stellt verschiedene Denkmäler zu dieser Thematik im In- und Ausland vor, skizziert die Entwicklungsgeschichte des Berliner Denkmals und ordnet dieses in die nationale Denkmalkultur ein. Außerdem thematisiert sie den im Denkmal installierten Film von einem sich küssenden Männerpaar. Um dieses Video entspann sich eine Kontroverse über das gemeinsame Gedenken an die verfolgten Männer und Frauen. Mit dieser Debatte um den Film und einem neuen Film, der nun die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Männern und Frauen zeigt, befasst sich Corinna Tomberger in ihrem Beitrag. Sie nähert sich dabei der Frage an, ob es ein Denkmal für Schwule und Lesben sein kann, wenn der gestalterische Entwurf auf homosexuelle Männer ausgerichtet war. Anderseits, so führt sie aus, ist das Denkmal sowohl homosexuellen Männern, als auch Frauen gewidmet. In der Interpretation des neuen Film „Kuss ohne Ende“ resümiert die Autorin: „Einen Ausweg aus dem Dilemma, das dem Denkmal aufgrund seiner Widmung strukturell innewohnt, bietet somit auch der zweite Film nicht.“ (S.207) Tomberger schließt sich der Forderung einiger Aktivistinnen an und plädiert für eine Umwidmung des Denkmals als exklusives Schwulendenkmal.
Die Erforschung der Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus, aber auch der Umgang mit dieser Geschichte nach 1945 sind bislang nicht umfassend erfasst und dokumentiert wurden. Daher ist das vorliegende Buch ein wichtiger Schritt vor allem für die Analyse des Gedenkens und Erinnerns an die nationalsozialistischen Verbrechen an Homosexuellen. Das Buch versammelt bekannte Autor/innen wie Insa Eschebach, Claudia Schoppmann und Jens Dobler und präsentiert den neuesten Stand der Forschung auf diesem Gebiet. Für eine Beschäftigung mit der Thematik Homosexualität und Homophobie im „Dritten Reich“ und den Nachkriegsgesellschaften ist dieses Buch unerlässlich.