Beitrags-Autor: AHomann Sie müssen angemeldet sein, um das Benutzerprofil zu sehen |
Im Jahr 2003 wurde die Publikation „Why should we teach about the Holocaust?“
erstmals auf Polnisch veröffentlicht und 2004 ins Englische übersetzt.
Das Buch will sowohl einen spezifischen Beitrag zur europäischen Diskussion über „Holocaust Education“ beitragen als auch die polnischen Debatten zum Thema einem breiteren Publikum zugänglich machen.
Aus u.a. theologischer, psychologischer, kultur- oder politikwissenschaftlicher Perspektive betonen die Autor/innen die Bedeutung der Unterrichtung über den Holocaust für die polnische Gesellschaft. Vielfach tun sie dies aus einer durch die Integration eigener Erinnerungen ausdrücklich persönlichen Sicht. Besonders herausgestellt werden dabei die Bedeutung der polnischen Juden als integraler Bestandteil der polnischen Gesellschaft und Geschichte sowie die Notwendigkeit, die polnische Geschichte zu demythologisieren. Dabei verweisen die Autor/innen besonders auf den historisch und aktuell virulenten Antisemitismus in der polnischen Gesellschaft sowie die Mittäter/innenschaft von Teilen der polnischen Bevölkerung bei der Vernichtung der europäischen Juden.
Auch aus einer pädagogischen Perspektive wird die Frage nach der Notwendigkeit der Thematisierung des Holocaust gestellt und beantwortet. Robert Szuchta, Lehrer und Mitautor des ersten polnischen Holocaust-Curriculum und Schulbuchs über die Vernichtung der Juden in Polen, versucht mit der Thematisierung des Holocaust die SchülerInnen aufmerksam zu machen für die Gefahren von Intoleranz, Nationalismus, Angst vor Fremden oder totalitären Bestrebungen. Das Wissen über den Holocaust, so Szuchta, bewahre die Schülerinnen nicht vor solchen Tendenzen, mache sie aber mit den Strukturen bekannt, in denen diese entstehen. Ebenso wie Szuchta plädiert der Lehrer Serguiz Kowalski für die Thematisierung des Holocaust im polnischen Geschichtsunterricht, da die polnischen Juden ein integraler Bestandteil polnischer Geschichte waren und bleiben. Schließlich gelte es in diesem Zusammenhang auch, die Kollaboration und den Antisemitismus der polnischen Bevölkerung zu thematisieren, da auch dies integraler Bestandteil der polnischen Geschichte im 2. Weltkrieg ist. Es gelte, die Geschichte der Polen als Opfer und Helden in eine Geschichte einer normalen Gesellschaft umzuschreiben, in der es auch Täter und Kollaborateure gegeben habe.
Monika Adamcyk-Garbowska beschreibt die Notwendigkeit der Unterrichtung des Holocaust aus der Perspektive einer Hochschullehrerin. Erschrocken über das Nichtwissen ihrer Studierenden über den Holocaust bot sie einen zweijährigen Kurs über die Geschichte der polnische Juden vor und während des dem 2. Weltkrieg an. Als Ergebnis entstanden Master-Arbeiten über die literarische Repräsentation des Holocaust.
Hanna Wegrzynek verweist auf die Leerstellen in den polnischen Schulbüchern und plädiert für die Aufnahme des Themas „Vernichtung der europäischen Juden“ um historische Realitäten anzuerkennen und die Auslassungen der sozialistischen Curricula nicht fortzuführen.
Die Publikation gibt einen breiten, fachwissenschaftlich übergreifenden Überblick auf die Frage „Warum soll der Holocaust in Polen unterrichtet werden“. Eine Stärke des vorliegenden Bandes resultiert insbesondere aus dem persönlichen Zugang, den die Autor/innen in ihren Beiträgen veröffentlichen.
Leider bleibt die für Pädagog/innen so wichtige Frage nach dem „Wie soll der Holocaust unterrichtet werden“ wenig bearbeitet. Doch bedarf diese Frage sicherlich zuerst die Klärung des „Warum“, zu der diese Publikation einen wichtigen Beitrag leistet.