"Der Film "Der Balkon - Wehrmachtsverbrechen in Griechenland“ zeigt ein Massaker der deutschen Wehrmacht am 3. Oktober 1943 in Lyngiades, einem Dorf im Epirus in Nordgriechenland, bei dem die deutschen Besatzer 82 Dorfbewohner, überwiegend Frauen, Kinder und Alte, ermordeten und fast alle Häuser zerstörten. Der Verein Verein Respekt für Griechenland e.V. hat auf der Basis der für die Bildungsarbeit vom Regisseur Chrysanthos Konstantinides erstellten 43' Kurzversion des Films umfangreiche didaktische und Hintergrundmaterialien und Erfahrungsberichte über den Einsatz des Films in der Bildungsarbeit erstellt.
In Deutschland wurde die Okkupation und die deutsche Kriegsschuld gegenüber Griechenland lange verdrängt. Entsprechend sind bei uns die verübten Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung sowie die Zerstörung und Beraubung des Landes noch immer weitgehend unbekannt.
„Respekt für Griechenland“ möchte die bestehende Erinnerungslücke verringern. Als Beitrag hierzu haben wir Texte, Dokumente und Fotos zur historischen Einordnung sowie didaktisch/methodische Vorschläge zur Vor- und Nachbereitung des Films an Schulen, in der Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung auf der Basis der Kurzfassung des Films erstellt.
"Der Balkon - Wehrmachtsverbrechen in Griechenland“
Der Film "Der Balkon - Wehrmachtsverbrechen in Griechenland“ zeigt ein Massaker der deutschen Wehrmacht am 3. Oktober 1943 in Lyngiades, einem Dorf im Epirus in Nordgriechenland, bei dem die deutschen Besatzer 82 Dorfbewohner, überwiegend Frauen, Kinder und Alte, ermordeten und fast alle Häuser zerstörten. Zugang zum Film „Der Balkon“ von der Seite der Bundeszentrale für Politische Bildung.
Der Film
Lyngiades, ein Dorf in Nord-Griechenland, wird wegen seiner wunderbaren Aussicht der „Balkon“ genannt. Doch die Idylle war Schauplatz eines Massakers, das hierzulande noch kaum bekannt ist. Am 3. Oktober 1943 ermordeten die deutschen Besatzer, ca. 100 Soldaten der „Division Edelweiß“, 82 Dorfbewohner, überwiegend Kinder, Frauen, alte Leute, und zerstörten fast alle Häuser. Ihr Dorf haben die Nachkommen der Opfer nach und nach aus eigener Kraft wieder aufgebaut. Aufbauhilfe aus Deutschland haben sie zu keiner Zeit erhalten. Kein deutscher Soldat wurde für die Verbrechen in Lyngiades bestraft.
Die Familie des Regisseurs des Dokumentarfilms Chrysanthos Konstantinides stammt aus Lyngiades. Über das Massaker recherchierte vor drei Jahrzehnten der Rechtshistoriker Christoph Schminck-Gustavus und interviewte Überlebende. Jetzt führt er durch den Film. Rhythmisiert durch die Bilder vom Stopp und Start seines alten Kassettenrekorders wird das Massaker anhand der Erzählungen der fünf direkt Überlebenden und ihrer Nachkommen und anderen Mitgliedern der Dorfgemeinschaft rekonstruiert. So ungeheuerlich sind die Schilderungen, dass die Überlebenden lieber schwiegen oder nicht aufhören konnten zu weinen, wenn sich das Massaker wieder einmal jährte. „Wen die Deutschen fanden, den haben sie getötet.“ / „Dreißig Tote habe ich: tot und begraben. Mutter, Vater, Geschwister, Schwester.“ / „Mein Vater hielt meine Schwester. Der Schuss ging ihr durch den Kopf... Nur ihren Körper hielt er noch auf dem Arm.“ / „Als die Deutschen schossen, trafen sie den Kopf des Kindes. Sein Gehirn spritzte raus.“ / „Der Kleine zuckte ...sechs oder sieben Mal, bis er starb.“ / „Und so weiter und so fort.“
2014 kommt der damalige Bundespräsident Joachim Gauck mit dem Buch von Christoph Schminck-Gustavus nach Lyngiades und bittet „mit Scham und Schmerz die Familien der Ermordeten um Verzeihung“. Der Überlebende Panos Babousikas begreift „diese Entschuldigung nicht“ und nimmt sie nicht an. Demonstranten in Mittenwald, wo den Gebirgsjägern der Division Edelweiß 1957 „von den heimgekehrten Kameraden der Gebirgstruppe“ ein Denkmal errichtet wurde, kritisieren, dass keiner der Verantwortlichen in Deutschland angeklagt wurde und dass Deutschland für die Zerstörungen nichts zahlen will. Im Gespräch mit den Dorfbewohnern verteidigt sich Gauck, dass sein Amt ihm nicht erlaube, zu griechischen Reparationsforderungen Stellung zu nehmen. Das sei Sache der deutschen Regierung. Und die lehnt die griechischen Reparationsforderungen ab.
Zugang zum Material: https://xn--respekt-fr-griechenland-kpc.de/?p=6118.
Es gliedert sich in folgende Kapitel:
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Zum Massaker in Lyngiades
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Vorbereitung der Filmvorführung
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Filmvorführung und Nachbereitung
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Täterschaft
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Widerstand in Griechenland und dessen Unterstützung von Deutschen
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Erinnerung, Bearbeitung, nachholende Wiedergutmachung
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Folgen der Besatzung für Griechenland und seine Bewohner
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Die Deportation griechischer Juden
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Die Okkupation Griechenlands im europäischen Vergleich
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Lizenzen
Vorweg: Auch wenn die Schilderungen der Überlebenden teilweise sehr drastisch sind, fanden die beteiligten Schüler, der Film sei ab dem 10. Schuljahr einsetzbar. Ihre emotionale Betroffenheit führte zu einer intensiven kognitiven Auseinandersetzung mit dem Thema. Teilnahme war immer freiwillig.
Der Film eignet sich als Grundlage sowohl für ein Kurzprojekt zur Auseinandersetzung mit den Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung in Griechenland als auch als Einstieg in eine Unterrichtsreihe oder ein größeres Projekt. Er stimuliert Fragen zur „Deutschen Okkupation in Griechenland“, fördert eine komplexe Sicht auf das deutsch-griechische Verhältnis und hat Folgeaktivitäten bis hin zu einem deutsch-griechischen Schüleraustausch angeregt. Der Film wurde nicht nur im Geschichtsunterricht verwendet, sondern auch in anderen Fächern, so in Deutsch, und in der Jugend- und Erwachsenenbildung. Neben Exemplarischem Lernen zu Kriegsführung und Verbrechen im Zweiten Weltkrieg förderte er den Erwerb von Medienkompetenz durch Filmanalyse.
Die Auswertung der Arbeit von 36 Lehrerinnen und Lehrern an 28 Schulen mit dem Film ergab:
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Alle empfehlen den Film für die Bildungsarbeit mit Jugendlichen.
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Den eigenen Erkenntnisgewinn bezeichnen die Lehrkräfte als hoch.
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Das Begleitmaterial wird durchgängig als hilfreich für den Unterricht bewertet.
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Die erschütternden Zeitzeugenberichte zum Massaker lösen bei den Jugendlichen heftige Emotionen aus, die wiederum zu engagierten kognitiven Auseinandersetzungen führten.
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Ausgehend vom Film suchen Jugendliche nach Antworten zu existentiellen und politischen Fragen. Wie werden Menschen zu Mördern? Wie kann man ähnliche Verbrechen verhindern?
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Der Film stärkt die Wertschätzung der Demokratie und die Identifikation mit dem heutigen, veränderten Deutschland.
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Die unbeglichene Kriegsschuld sowie bestehende ideelle und materielle Verpflichtungen gegenüber Griechenland wurden lebhaft und kontrovers diskutiert.
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Die Arbeit mit dem Film motivierte mehrere Lerngruppen zu weiterführenden Projekten.
Die Arbeit mit dem Film begann im Herbst 2020 mit einem Probelauf in Rheinland-Pfalz an sieben Schulen mit elf Lerngruppen, gerade noch rechtzeitig vor der ersten großen Coronawelle. (Bettina Münch-Rosenthal: Der Einsatz des Filmes „Der Balkon“ im Unterricht als Praxisbeispiel. In: SchVw He/RP 2/2023. Erreichbar über die Redaktion: bertram [dot] guentsch [at] wolterskluwer [dot] com) Die durchweg guten Rückmeldungen ermutigten uns, die Erprobung auf weitere Bundesländer zu erweitern. Bis Januar 2023 haben – trotz Behinderungen durch Corona – insgesamt 36 Lehrerinnen und Lehrer in 53 Lerngruppen aus 28 Schulen in 8 Bundesländern mit dem Film gearbeitet. Die meisten Beteiligungen gab es in Baden-Wü rttemberg, gefolgt von Rheinland-Pfalz und Hessen. Hinzu kamen im Erprobungszeitraum elf Veranstaltungen in der Jugend- und Erwachsenenbildung.
Am 23. April 2024 um 19.00 findet eine Veranstaltung zum Thema in der Topografie des Terrors in Berlin statt: "Vergessene Kriegsverbrechen von Wehrmacht und SS in Griechenland. Späte Aufklärung über die Massaker an der Zivilbevölkerung". Der Film wird schon um 17.30 gezeigt.
Autor: Ulli Joßner (Mitarbeiter bei Respekt für Griechenland)