Ein polnischer Journalist berichtet von seinen Erfahrungen an deutschen und polnischen Schulen
Im Gespräch mit Dradio Wissen berichtet der polnische Journalist Adam de Nisau über seine Erfahrungen aus dem Geschichtsunterricht in zwei Schulsystemen. Bis zur 9. Klasse besuchte de Nisau eine deutsche Schule, bevor er mit 15 Jahren gemeinsam mit seiner Familie nach Polen zurückkehrte. Er spricht von unterschiedlichen Sichtweisen auf die nationale Geschichte in Deutschland und Polen. Zwar gebe es seiner Meinung nach gewisse Angleichungen im Unterricht zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs, doch liegen die Schwerpunkte teilweise doch weit auseinander. Während in Polen das Leiden der eigenen Bevölkerung im Mittelpunkt stehe, spreche man in deutschen Schulen mehr über den von den Deutschen verübten Völkermord an den europäischen Juden. Deutlicher treten die verschiedenen Betrachtungsweisen der eigenen Geschichte zur Nachkriegszeit zu Tage. An polnischen Schulen werde viel nachdrücklicher als in Deutschland gelehrt, welchen Einfluss die Solidarność-Bewegung auf die politische Wende 1989 hatte. Hierzulande liege der Schwerpunkt zumeist auf der Bürgerrechtsbewegung in der DDR. Der Journalist de Nisau hält allerdings eine identische Sicht auf die Geschichte für nicht sinnvoll. Stattdessen müsse stärker ein multiperspektivischer Blick auf die Geschichte des Nachbarn geworfen werden. Auf diese Weise könnten deutsche und polnische Schüler/innen Differenzen besser kennen lernen und hoffentlich langfristig ausräumen.
Der Herausgeber einer Publikation zu Tschechen und ihren Nachbarn im Schulbuch erläutert die gegenseitige Darstellung der Deutschen und Tschechen
Ein Beitrag von Radio Praha stellt die Publikation "Die Tschechen und ihre Nachbarn. Studien zu Schulbuch und Schülerbewusstsein“ des Georg-Eckert-Instituts vor. Das Interview mit Andreas Helmedach steht auf der Seite der Radiostation als Podcast zur Verfügung.
Das vorgestellte Buch ist das Ergebnis einer Tagung der gemeinsamen deutsch-tschechischen Schulbuchkommission aus dem Jahre 2003 und beschäftigt sich mit der Frage, welches Bild vom Nachbarland Schulbücher in Tschechien, Deutschland, der Slowakei, Österreich und Ungarn vermitteln. Helmedach konstatiert dabei ein Ungleichgewicht der Darstellung des jeweils Anderen in deutschen und tschechischen Schulbüchern. Die gemeinsame deutsch-tschechische Geschichte werde in deutschen Schulbüchern nicht kontinuierlich erzählt, sie konzentrieren sich auf die konfliktreiche Entwicklung seit den 1920er Jahren und auf den Zweiten Weltkrieg. Das Zusammenleben von Deutschen und Tschechen und die Gründe für die Zuspitzung der nationalen Gegensätze werde deutschen Schüler/innen vorenthalten.
Aktuelle tschechische Schulbücher zeigen dagegen eine stärkere Differenzierung. Dafür sei jedoch die Darstellung von Roma und Juden in tschechischen Schulbüchern problematisch. Sie werden lediglich als Opfer dargestellt und es werden keine positiven Identifikationsmöglichkeiten beispielsweise für tschechische Roma geboten. Helmedach vertritt die These, dass Schulbücher eine wichtige Rolle im bilateralen Verhältnis spielen. Dementsprechend sieht er die Zielgruppe der vorgestellten Veröffentlichung in Schulbuchautor/innen, Verlagen und Wissenschaftler/innen, die ihrer Verantwortung nachkommen sollten, die sie durch das Verfassen von Schulbüchern tragen.