Die drei Interviews behandeln zwei Studien, liefern Definitionen und diskutieren Ansätze der Bildungsarbeit mit politikfernen Jugendlichen.
Studie zur Webseite „Du hast die Macht“ und zu „politikfernen“ Jugendlichen
Prof. Dr. Anja Besand von der TU-Dresden führte eine qualitative Studie zur Webseite „Du hast die Macht“ durch. Die Webseite möchte „politikferne“ Jugendliche im Alter zwischen 14 und 23 Jahren für Politik begeistern. Die Studie hatte zum Ziel, aufzuzeigen, welche Inhalte der Webseite von den Jugendlichen als gut bzw. schlecht bewertet werden und welche weiteren Inhalte sie sich erwünschen. Im Interview berichtet Prof. Dr. Besand wie die Zielgruppe definiert wurde und wie das Vorgehen bei der Erstellung der Studie war. Die Befunde der Studie sind u.a., dass es im engeren Sinne keine „politikfernen“ Jugendlichen gibt, sondern dass die Interessen stark individualisiert sind. Jugendliche sind größtenteils über die großen aktuellen Tagesnachrichten informiert und wünschen sich darüber verständlichere Informationen. Ein Nebenbefund der Studie ist, dass nicht nur der Lebensweltbezug in der politischen Bildung wichtig ist, sondern dass auch allgemein politische und komplexere Themen behandelt werden können.
Studie über die Sprache der Politik und wie Jugendliche diese verstehen
Das Ziel der Studie war es herauszufinden, warum eine Parteienverdrossenheit existiert. Im Gegensatz zur allgemeinen Annahme wurde in der Studie herausgefunden, dass eine generelle Politikverdrossenheit nicht zu verzeichnen ist, so Christina Schildmann, Mitarbeiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Jugendlichen haben ein großes Interesse an Politik und sie wünschen sich einen früheren und häufigeren Politikunterricht an der Schule, als es bisher der Fall ist. Sie würden gerne die Tagespolitik und das politische Geschehen besser verstehen. Das zentrale Thema der Studie ist die Sprache der Politiker/innen. Ein Befund hierfür war, dass die Jugendlichen finden, in der Politik würde sich sehr gerne hinter Worthülsen und Fremdwörtern versteckt. Ein hoher Anteil denkt, dass dies auch so beabsichtigt ist, damit man die Politiker/innen nicht versteht.
Politische Bildung, Demokratie und sogenannte politikferne Jugendliche
Der Mitarbeiter des Göttinger Instituts für Demokratieforschung Johannes Melchert erläutert zu Beginn des Interviews, dass „politikferne“ Jugendliche gerne mit „bildungsfernen“ Jugendlichen in einem Atemzug genannt werden. Wie Frau Schildmann verzeichnet Herr Melchert eine allgemeine Parteienverdrossenheit unter den Jugendlichen. Der Fokus in der Bildungsarbeit sollte aus diesem Grund stärker bei den Interessen der Jugendlichen als in der Parteienpolitik liegen. Das Göttinger Institut für Demokratieforschung führt eigene Workshops zum Thema Demokratie mit Kindern durch. Ihre Erfahrung ist, dass die Kinder sich sehr für das Thema begeistern können und für ihre Positionen streiten. Bürgerschaftliche, politische Beteiligung erfordert einen Zugang zu vielen Ressourcen. Dieser Zugang ist für Personen mit einem höheren Bildungsabschluss weitaus einfacher als für bildungsferne. Aus diesem Grund ist es für bildungsferne Jugendliche und Erwachsenen schwieriger sich gesellschaftlich zu beteiligen. Wie man mit „politikfernen“ Jugendlichen arbeiten und sie für Politik begeistern kann, ist zentraler Bestandteil der mehrmoduligen Weiterbildung „Ombud“ der Bundeszentrale für politische Bildung, die in der zweiten Jahreshälfte beginnen soll.