Interview mit Dr. Jens Birkmeyer, OstR i.H. für Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhems-Universität Münster
Der Literaturdidaktiker stellt seine Textauswahl aus den 1960er Jahren in den Kontext unterschiedlicher Formen von Zeugenschaft und weist auf neue literaturdidaktische Konzepte hin, die um eine medienintegrierte Dimension erweitert sind.
Das Interview wurde im Rahmen des Seminars "Autobiographische Zeugnisliteratur 1940 - 1969" der Seminarreihe Bildungsarbeit mit Zeugnissen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" im April 2010 in Berlin geführt. Das Seminar hat einen geschichtlichen Blick auf die Entstehungsbedingung autobiografischer Zeugnisliteratur von Überlebenden des Nationalsozialismus geworfen.
Von Markus Nesselrodt und Ingolf Seidel
1. Textauswahl (Länge 1:20)
Ausgewählt wurden prominente Texte zum Holocaust der 1960er Jahre, die zeitgenössische Formen und Tendenzen der Erinnerungsliteratur verdeutlichen, erklärt Birkmeyer.
2. Konzepte von Zeugenschaft (Länge 2:08)
Zeugenschaft und die ästehtischen Kompositionsregeln verändern sich, so Birkmeyer, daher stellt Zeugenschaft für die heutige Beschäftigung mit den Texten eine zentrale politische und pädagogische Dimension dar.
3. Narrative Konstruktionen des Moralischen (Länge 2:44)
Birkmeyer fordert, dass unter Didaktikern und Pädagogen ein Diskurs zu führen ist, worin das Moralische im narrativen Konstrukt dieser Texte besteht und wie sie ethische universalisierbare Fragen sichtbar machen.
4. Gegenwärtige Herausforderungen für die Literaturdidaktik (Länge 3:34)
Der Deutschunterricht darf kein Krypto-Geschichtsunterricht sein, betont Birkmeyer. Die didaktische Herausforderung besteht darin, mit Schülern zu trainieren, den besonderen medialen Aspekt, die besondere Konstruiertheit und die besondere Zeichenhaftigkeit von Texten zu analysieren und weniger das historische Material in den Mittelpunkt zu stellen.
5. Texte als Zeugnisse ihrer Zeit (Länge 1:18)
Birkmeyer weist darauf hin, dass die 1960er Jahre im Hinblick auf die Texte zum Holocaust für eine Epoche der Ausdifferenzierung, der Vielfältigkeit und der Diskursvarianten stehen. Im Kontext der großen NS-Prozesse ging es darum, den Diskursraum in der BRD zu dynamisieren, transparenter zu gestalten und, die Stimmen der Opfer zu Gehör zu bringen.
6. Medienintegrierte Dimension des Deutschunterrichts (Länge 1:44)
Wir müssen heute von einem Medienmix ausgehen, was die Erinnerungskultur anbelangt, so Birkmeyer, d.h. autobiographische Texte über den Holocaust verfügen heute nicht mehr über eine hegemoniale Position. Der Deutschunterricht muss infolgedessen um eine medienintegrierte Dimension erweitert werden.