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Katarzyna Mitzner über den 70. Jahrestag des Kriegsausbruchs in Polen

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Beitrags-Autor: AHomann

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Das Haus der Begegnung mit der Geschichte (Dom Spotkan z Historia, HBG) entstand im Jahre 2006 in Warschau. Seine Aufgabe ist die Verbreitung neuerer polnischer und Warschauer Geschichte und die Zusammenarbeit mit dem Ausland. Wir sprachen mit Katarzyna Mitzner, stellvertretenden Direktorin des HBG, über die Arbeit des Museums und Polen im Jahre 2009.

Ein Gespräch über den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, eine erwachende Erinnerung an die Folgen des so genannten Hitler-Stalin-Paktes und Oral-History Projekte in Polen.

Lernen aus der Geschichte (LAG): Frau Mitzner, was bedeutet Ihnen persönlich der 70. Jahrestag am 1. September 2009?

Katarzyna Mitzner (KM): Nun, rein beruflich interessiert mich das Thema natürlich sehr. Schließlich beschäftigen wir uns im Haus der Begegnung mit der Geschichte (HBG) ausführlich mit dem Kriegsbeginn. In Polen mangelt es noch immer an Bewusstsein, was den Beginn des Krieges angeht. Zwar wird es in den Schulen gelehrt, aber es geht doch selten über einige Stichwörter hinaus. Das versuchen wir mit unserer Arbeit zu ändern.

LAG: Wie werden der deutsche und der sowjetische Einmarsch am 1. bzw. 17. September 1939 in Polen wahrgenommen?

KM: Während der Zeit der kommunistischen Polens (1945-1989) gab es nur einen offiziellen Kriegsbeginn und das war der 1. September 1939. Der Einmarsch der Roten Armee als Folge des Hitler-Stalin-Pakts wurde hingegen totgeschwiegen. Auch in den Schulen lernten wir lediglich etwas über die deutsche Besatzung Polens im Zweiten Weltkrieg. Nichtsdestotrotz wurde innerhalb der Familie auch über den Einmarsch der Sowjetunion im östlichen Teil Polens gesprochen. Doch vor 1989 war es illegal darüber zu forschen oder zu schreiben. Und obwohl es das heute selbstverständlich nicht mehr ist, wird dem Thema, meiner Meinung nach, zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Im HBG legen wir viel Wert darauf, zu betonen, dass Polen im September 1939 von zwei Totalitarismen angegriffen wurde. Außerdem versuchen wir, tiefergehendes Wissen zu den ersten Kriegswochen zu vermitteln. Was geschah abseits der Schlachtfelder? Wann begannen dir ersten Deportationen? Wie sah das deutsch-polnische Verhältnis in ethnisch heterogenen Gebieten wie z.B. der Kaschubei aus? Solche Fragen versuchen wir in unsere Projekten und Ausstellungen zu beantworten. Zur Zeit arbeiten wir an einem Zeitzeugenprojekt über den September 1939.

LAG: Worum geht es da genau?

KM: Der 1. September 1939 ist für viele Polen eher mit gewissen Stichwörtern verbunden, so zum Beispiel mit der Schlacht auf der Danziger Westerplatte. Doch tiefergehendes Wissen über die ersten Tage und Wochen der deutschen und sowjetischen Besatzung fehlt häufig. In den Interviews berichteten uns die Zeitzeugen vom September 1939. Für viele bedeute der Kriegsausbruch das Ende einer Ära. Ihr bisheriges Leben war auf einen Schlag beendet. Sie würden auch nie wieder in die Zeit vor dem Krieg zurückkehren können, denn nach 1945 veränderte der Kommunismus wiederum ihr Leben. Dieses Oral History Projekt liegt uns sehr am Herzen, denn es schließt eine Lücke in der Historiografie. Während der Volksrepublik Polen wurden nämlich kaum Erinnerungen an den Krieg dokumentiert. Es gab zwar viele Gedenkfeiern und dergleichen, aber kaum ernsthafte Forschungen. Ein weiterer Aspekt dieses Projektes ist es, einer breiten Masse von Interessierten Zugang zu diesen Erinnerungen zu gewähren. Im Westen ist zum Teil wenig über die deutsche Besatzung Polens und das Leiden der Bevölkerung bekannt.

LAG: Lassen Sie uns über die öffentliche Wahrnehmung sprechen. Wann wird in Polen das Kriegsende gefeiert?

KM: Das Ende des Kriegs wird am 8. Mai gefeiert. Während der Volksrepublik war es dagegen der 9. Mai. Im Jahre 2009 gedenken wir zweier Ereignisse, die 50 Jahre auseinander liegen. Auf der einen Seite des Kriegsbeginns, also des Verlusts unserer Unabhängigkeit. Auf der anderen Seite feiern wir den 20. Jahrestag der Wiedererlangung unserer Freiheit. Es gibt einige Radikale, die behaupten, der Krieg wäre erst mit dem Fall des Kommunismus beendet. Andere bezeichnen die Volksrepublik pauschal als sowjetische Besatzung, aber das sind eher Ausnahmen. Allerdings lässt sich an dieser Frage etwas Anderes im Bezug auf das polnisch-jüdische Verhältnis ablesen. Denn für die Juden war der Einmarsch der Sowjets vor allem ein Akt der Befreiung aus der deutschen Gefangenschaft. Für die Polen gilt das natürlich ebenso, doch sie denken auch an den Beginn der kommunistischen Herrschaft.

LAG: Welche Veranstaltungen planen Sie im HBG anlässlich des 70. Jahrestages?

KM: Es wird mehrere große Feierlichkeiten in ganz Warschau geben. Wir werden den Jahrestag zum Anlass nehmen, an die Opfer des Nationalsozialismus und des Stalinismus zu erinnern. Uns geht es außerdem darum, über die zwei totalitären Regime in Polen zu informieren. Da gibt es noch viel zu tun.

LAG: Frau Mitzner, wir danken Ihnen für das Interview.

 

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