Die Podcasts der Professur für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen thematisieren regelmäßig Aspekte der politischen Bildung. Wir möchten Ihnen einen Beitrag vorstellen, der die Frage nach der Praxis politischer Bildung in der Grundschule behandelt.
Im Interview trägt Prof. Dagmar Richter (Technische Universität Braunschweig) theoretische und normative Argumente vor, warum sich Grundschulkinder mit Politik beschäftigen sollten. Kinder kommen schon früh in Kontakt mit Politik, so Richter. Das könne sich in der Wahl zum Klassensprecher äußern oder bei der Abstimmung über eine Skatingbahn in der Nachbarschaft. Daher sei es wichtig, dass Kinder früh politische Mitgestaltung einüben. Nicht zuletzt gehe es darum, in der Grundschule vorbeugend gegen eine Politikverdrossenheit zu arbeiten. Für Kinder hätten politische Begriffe noch keine klare Bedeutung. Politische Partizipation könne für sie noch positiv konnotiert werden.
Politische Bildung sei zwar formal in Lehrplänen an den Grundschulen verankert - z.B. im Fach Sachunterricht - doch in der Praxis gebe einige Probleme zu beobachten. Für Prof. Richter seien viele Lehrenden nicht ausreichend vorbereitet auf die Vermittlung politischer Bildung an Grundschulkinder. Zudem gebe es kaum Materialien, auf die die Fachkräfte zurückgreifen können. Deshalb konstatiert die Pädagogin: „Auf der Unterrichtsebene ist die politische Bildung noch nicht angekommen“.
Prof. Dagmar Richter sieht es als notwendig an, dass Grundschulkinder Kompetenzen im Bereich der politischen Bildung erwerben sollten. Mit Rücksicht auf das Alter der Kinder müssten allerdings Einschränkungen gemacht werden. Es gelte, danach zu fragen, was Kinder in ihrer Lebenswelt brauchen. Hierbei gehe es um die Vermittlung eines Grundwissens, damit Grundschulkinder ihre Umwelt deuten können. Doch wie dies im Detail auszusehen hat, darüber bestehe weitgehend Unklarheit. Erst weitere empirische Forschung könne hier Aufklärung bringen.
Eine intensivere Beschäftigung mit politischer Bildung in der Grundschule fordert Richter aber nicht nur von Lehrenden, sondern auch von Didaktikern. Gemeinsam müssten Materialien erstellt werden, die die Beschäftigung mit realen Problemen in den Vordergrund rücken. Außerdem sei eine ständige Fortbildung der Lehrkräfte unerlässlich. Nur so könne der Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Schule funktionieren.
Zum Abschluss des Gesprächs berichtet Richter von ihrem Forschungsprojekt über den Einsatz von sogenannten „Concept Maps“ (Begriffsnetze) bei Drittklässlern. Die Wissenschaftlerin kam zu dem Schluss, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht gut damit arbeiten können. Concept Maps hätten eine kognitiv aktivierende Funktion und strukturierten das Wissen. Das sei förderlich fürs Lernen und könne insbesondere für Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, eine Hilfe sein.
Die Podcasts der Professur für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen stellen Interessierten Hörerinnen und Hörern alle 2 Monate kostenlos aktuelle Informationen rund um die politische Bildung zur Verfügung. Die rund 15 minütigen Audiodateien bieten neben einem Schwerpunktthema Literaturempfehlungen sowie Tagungs- und Veranstaltungshinweise. Den vorgestellten Podcast sowie alle bisher erschienen Dateien finden Sie hier.