Der Anspruch der Nationalsozialisten auf die totale Kontrolle der öffentlichen Meinung ließ schon bald nach ihrer Machtergreifung 1933 keinen Raum mehr für unangepasste
und kritische Berichterstattung. Die Zeitungslandschaft war voller weißer Flecken und hetzerischer Propaganda.
Auf Initiative von step21 gehen Schülerredaktionen in Deutschland und benachbarten Ländern diesen weißen Flecken auf die Spur. Sie recherchieren Ereignisse, die während der NS-Zeit bzw. der deutschen Besatzung in ihrer nächsten Umgebung stattgefunden haben und über die die damalige Presse gar nicht oder nur manipuliert berichtet hat. Aus den Ergebnissen ihrer Zeitzeugengespräche und Archivbesuche gestalten die Teams mit Unterstützung von Historikern und Journalisten Reportagen und Berichte, die in einer neuen gemeinsamen Zeitung veröffentlicht werden.
Das grenzüberschreitende Zeitungs- und Erinnerungsprojekt wurde 2005 von der gemeinnützigen Initiative step21 ins Leben gerufen. Dank der Unterstützung u. a. von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und der ZEIT-Stiftung konnte step21 [Weiße Flecken] inzwischen dreimal realisiert werden.
Von Ausgabe zu Ausgabe wächst die internationale Redaktion: Als deutsch-polnisches Projekt gestartet, kam zur zweiten Ausgabe Tschechien hinzu, zur dritten Ausgabau Österreich. 16 lokale Teams mit je fünf Jugendlichen kann die [Weiße Flecken]-Redaktion aufnehmen, neben Interesse an Geschichte und einem Faible für Journalismus sollten sie gute Deutschkenntnisse mitbringen, um sich bei den gemeinsamen Redaktionstreffen verständigen zu können.
Ihre sechsmonatige Spurensuche führt die Jugendlichen in Gedenkstätten, Archive und Bibliotheken und nicht zuletzt zu den letzten noch lebenden Zeitzeugen. Sie ergründen Geschichte vor der eigenen Haustür, jenseits von den Geschichtsbüchern oder bereits dokumentierten „großen“ Ereignissen. Durch die Begegnung mit Zeitzeugen erleben sie hautnah, welche Spuren Geschichte in den Menschen hinterlässt.
Ein umfangreicher Projektleitfaden begleitet die Jugendlichen mit Arbeitstipps und Informationen bei ihren ansonsten. Auf zwei Redaktionskonferenzen wird ihnen außerdem in Workshops mit Historikern, Journalisten und Fotografen das nötige Know-how vermittelt. Manche Teams werden zudem vor Ort von einem Tutor (meist Lehrer) betreut, die meisten jedoch organisieren ihre lokalen Recherchen eigenständig. Bei der Vermittlung von Zeitzeugen und in inhaltlichen Fragen helfen auch das Zentrum KARTA in Warschau und der Verein Živá paměť, in Prag weiter – Kooperationspartner von step21 [Weiße Flecken].
Dreimal treffen sich die Teilnehmer während des neunmonatigen Projekts zu internationalen Begegnungen. Im Austausch der unterschiedlichen Perspektiven auf die Geschichte aber auch aktueller Gemeinsamkeiten und Differenzen lernen sich die Jugendlichen aus den verschiedenen Ländern besser kennen und zu verstehen. Die mehrfachen Begegnungen machen es möglich, anfängliche Schüchternheiten abzulegen, sprachliche Missverständnisse zu klären oder mögliche Vorbehalte zu revidieren und Verbindungen zu vertiefen. Einige Teilnehmer pflegen auch nach Projektabschluss die geknüpften Kontakte weiter und werden damit im positivsten Sinne zu Botschaftern für ein nachbarschaftliches Miteinander in Europa.
Über die im Projekt engagierten 70 bis 80 Jugendlichen hinaus erreicht step21 [Weiße Flecken] über die gedruckte Zeitung weitere tausende Jugendliche in allen beteiligten Ländern. 30.000 Exemplare werden an Schulen, Gedenk- und Bildungsstätten verschickt, in Polen und Tschechien zusammen mit einem Extrablatt in der jeweiligen Sprache. Pädagogen und andere Interessierte können bei step21 gegen Portoerstattung einen Klassensatz der Zeitung und ein Begleitheft mit Anregungen und Materialien für die Arbeit mit der [Weiße Flecken]-Zeitung in Unterricht und Seminargruppen bestellen. Vielerorts hat das Projekt bereits zu ähnlichen Spurensuchen motiviert als aktive, konkrete und lebensnahe Art, sich mit Geschichte zu beschäftigen.
Die [Weiße Flecken]-Zeitung bewahrt auf 36 Seiten Erinnerungen an nationalsozialistisches Unrecht vor dem Vergessen, erinnert aber auch an Mut und Widerstand. Grenzüberschreitend setzen sich die jungen Redakteure für ein historisch bewusstes Miteinander in Europa ein. Ihre lokalhistorischen Themenseiten werden in der Zeitung ergänzt von Beiträgen externer Autoren wie Norbert Frei, Franziska Augstein, Michael Naumann oder Andrea Röpke. Dabei geht es um historische Hintergründe der NS-Pressepolitik, Erinnerungskulturen oder gegenwärtigen Bedrohungen durch Rechtsextremisten und ihre zunehmende europäische Vernetzung.
Damit die step21 [Weiße Flecken]-Zeitung möglichst viele Leser erreicht, wird das Projekt von einer intensiven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Höhepunkt ist die Präsentation der jeweils frisch gedruckten Zeitung im Rahmen einer feierlichen Abschlussveranstaltung. In Anwesenheit von Medien und vielen Gästen stellen die jugendlichen Redakteure ihre Ergebnisse vor. step21-Schirmherr Bundespräsident Horst Köhler (2006) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (2008 und 2009) konnten als erste Leser gewonnen werden. Zahlreiche Beiträge in TV, Radio und Presse berichten noch Wochen später über das Projekt, lokale Projektteams und ihre Themen.
Vielerorts setzten Jugendliche auch nach Projektabschluss ihr lokales Engagement fort, laden ihre Zeitzeugen in die Schule ein und stellen Mitschülern ihre Projektarbeit fort. Mancherorts geht auch die Spurensuche weiter, wie z. B. in Eisenach, wo eine AG an einer Dokumentation zum Thema Nationalsozialismus in der Schule arbeitete, nachdem sich auf einen Bericht in der Thüringer Allgemeinen hin noch einige weitere Zeitzeugen meldeten.
„Man muss in den Rückspiegel schauen, um die Spur wechseln zu können“: Die deutschen und polnischen Jungredakteure der ersten step21 [Weiße Flecken]-Zeitung haben auf den Punkt gebracht, warum man die Erinnerung an die Vergangenheit wach halten muss. Die erste Augabe der [Weiße Flecken]-Zeitung wurde am 23. Januar 2006 feierlich in Berlin in Anwesenheit von Bundespräsident Horst Köhler präsentiert und anschließend bundesweit und in Polen an Schulen und Jugendeinrichtungen verschickt. Die Reaktionen auf das Projekt waren überwältigend, als „eines der originellsten und besten Konzepte der Jugendarbeit im Umgang mit dem Nationalsozialismus“ bezeichnet es z. B. Projektpatin Prof. Dr. Gesine Schwan.
Teams und Themen der ersten Ausgabe:
Download erste Ausgabe: http://www.step21.de/uploads/tx_templavoila/Zeitung_STEP_21__Weisse_Flec...
Für die zweite Ausgabe kam Tschechien als zweites Nachbarland, das in besonderem Maße unter dem Expansionswahn des Deutschen Reiches gelitten hat, zur Redaktion dazu. Am 21. Januar 2008, kurz vor dem Holocaust-Gedenktag, fand die feierliche Abschlussveranstaltung von step21 [Weiße Flecken] in Berlin im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel statt. Eine Podiumsdiskussion mit Angela Merkel und einigen Jugendlichen, vor allem aber die von den Teilnehmern erarbeiteten Ergebnisse gaben wichtige Impulse für die Auseinandersetzung mit der Geschichte und Anstoß für interkulturelle Verständigung.
Teams und Themen der zweiten Ausgabe
Download zweite Ausgabe: http://www.step21.de/uploads/tx_templavoila/080123_WF2_zeitung_Komplett_...
An der dritten Ausgabe der [Weiße Flecken]-Zeitung arbeiten erstmals auch Jugendliche aus Österreich mit. Neben den lokalhistorischen Beiträgen der Jugendteams legt diese Ausgabe einen Schwerpunkt auf die Themen Menschenrechte und heutigen Rechtsextremismus in Europa. Erstmals trafen sich die Jugendlichen außerdem zu einer der Konferenzen im polnischen Słubice. Über die am Projekt beteiligten Teams steuerten weitere Jugendliche lokalhistorische Beiträge zur Zeitung bei. Am 30. Juni 2009 stellten die 70 Nachwuchsredakteure im Jüdischen Museum Berlin ihre fertige Zeitung der Öffentlichkeit vor. Als erste Leserin würdigte erneut Bundeskanzlerin Angela Merkel das Engagement der internationalen Redaktion.
Teams und Themen der dritten Ausgabe:
Download dritte Ausgabe: http://www.step21.de/uploads/tx_templavoila/WeisseFlecken-Zeitung_von_st...
Seit zehn Jahren bestärkt step21 Kinder und Jugendliche darin, Selbstbewusstsein und Rückgrat zu entwickeln, um gegen Unrecht, Diskriminierung und Gewalt aufzustehen und als Vorbild in unserer Gesellschaft zu wirken. Das medienpädagogische Programm der Initiative erreichte bisher über 900.000 Jugendliche und ca. 13.000 Schulen und Jugendeinrichtungen. Unterstützt wird step21 dabei von Stiftungen, ehrenamtlichen Helfern, prominenten Paten und Unternehmen. Schirmherr der Initiative ist Bundespräsident Horst Köhler.
step21 [Weiße Flecken] wird gefördert von Bild hilft e. V. „Ein Herz für Kinder“, der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Weitere Förderer: Das Deutsch-Polnische Jugendwerk (Ausgaben 1 und 2), der Zukunftsfonds der Republik Österreich, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds (3. Ausgabe). Kooperationspartner sind das Zentrum KARTA in Warschau und der Verein Živá paměť in Prag.