Ort/Bundesland: Hessen |
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Anlässlich des zwanzigjährigen Schuljubiläums im Dezember 1986 wurde Adolf Reichwein, dem Namensgeber der Schule - als Widerstandskämpfer 1944 von den Nazis ermordet - eine Ausstellung gewidmet. Die Berichterstattung über die Veranstaltungen unseres Gymnasiums zu Ehren Adolf Reichweins und die in der Presse veröffentlichte Rede, in der Adolf Reichweins aktuelle Bedeutung gewürdigt wurde, veranlassten Professor Dr. Robert Kempner, sich an unsere Schule zu wenden, um seinen Respekt vor der Person Adolf Reichwein auszudrücken und mit den Lehrern in einen Dialog über die Möglichkeiten einer gezielten Aufarbeitung der NS-Zeit einzutreten.
Der 90. Geburtstag Robert Kempners im Jahre 1989 regte eine Gruppe von Lehrern und Schülern an, eine Ausstellung zu erarbeiten, die das Leben und Wirken Robert Kempners dokumentieren sollte. Als junger Jurist erlebte er die Agonie der Weimarer Republik. Sein juristischer Scharfsinn, gepaart mit unbestechlich demokratischen Grundsätzen, erlaubte es ihm, die Symptome des Niederganges der ersten deutschen Demokratie schon früh richtig zu deuten und gegen sie anzukämpfen. Auch nach seiner Vertreibung aus Deutschland führte er seinen Kampf für eine demokratische Rechtskultur fort. Er war als einer der Ankläger in den Nürnberger Prozessen aktiv an der Weiterentwicklung des Völkerrechtes beteiligt und leistete damit einen wichtigen Beitrag zur Pflege der internationalen Rechtskultur (siehe Bilder). Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Robert Kempner ein unbeeinflussbarer Kämpfer für die Humanität, für eine verteidigungsbereite Demokratie und für die Würde des Menschen. Das Lebenswerk Robert Kempners wurde anlässlich seines 90. Geburtstages in einer Ausstellung dokumentiert und im November 1989 erstmals am Adolf-Reichwein-Gymnasium präsentiert.
Ende 1992 war die Ausstellung, die in der Zwischenzeit an verschiedenen anderen Orten gezeigt worden war, erneut im Adolf-Reichwein-Gymnasium in Heusenstamm/Hessen zu sehen, weil rassistische Gewalttaten der letzten Monate im vereinten Deutschland die Aktualität des Satzes "Ewige Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit" dramatisch gesteigert hatten. Robert Kempner schrieb uns anlässlich der Wiederholung der Ausstellung:
"Ich bin tief bewegt, dass diese Ausstellung nun nochmals am Adolf-Reichwein- Gymnasium vorgestellt wird. Die politische Entwicklung in den letzten drei Jahren hat gezeigt, dass es mit einer einmaligen Ausstellung nicht getan sein kann. Im Gegenteil, Ausstellungen werden immer notwendiger und müssen stets der jüngeren Generation neu vor Augen geführt werden. Gerade Ausstellungen wie diese können dazu führen, dass die vergangenen Staatsverbrechen nicht vergessen werden."
Spätestens zu diesem Zeitpunkt reifte unter den Mitgliedern der Robert-Kempner- AG der Entschluss, alles zu tun, um die Arbeit an der Ausstellung fortzusetzen und zu beenden. Die überarbeitete und dank großzügiger Hilfe professionell gestaltete Ausstellung greift das Rechtssystem der Weimarer Republik auf und stellt dar, in welchem Maße es von den Nationalsozialisten missbraucht und verfälscht wurde. Sie betont Robert Kempners veröffentlichte, aber bis in die Gegenwart hinein nahezu unbekannt gebliebene, eindringliche Warnungen, die der Brüning-Regierung zwar vorlagen, aber unterdrückt wurden: Sie dokumentiert die Nürnberger Prozesse, belegt den Aufbau eines neuen deutschen Rechtsstaates und geht zugleich kritisch auf die Behandlung der Nazi-Justiz durch die Gerichte der Bundesrepublik ein. Schließlich wird Kempners publizistischer Kampf um die juristische und moralische Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit nach 1949 vermittelt. Die Ausstellung soll den unwiderruflichen Gedanken Robert Kempners weitertragen, keine Regierung dürfe sich nach den Nürnberger Prozessen mehr sicher fühlen, den eigenen Staat zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit - und damit gegen die Menschheit - zu missbrauchen. Eine wirkungsvolle Strafgerichtsbarkeit braucht die Unterstützung jedes Einzelnen, um die Menschenrechte schützen und solche Verbrechen aburteilen zu können.
Für die Lesung hat eine Gruppe von Schülern aus bisher unveröffentlichten Verhörprotokollen Robert Kempners drei Verhöre ausgewählt:
Von diesen drei Verhören wird hier exemplarisch das mit dem Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Erich Neumann, einem klassischen "Schreibtischtäter", wiedergegeben (siehe pdf-Dokumente).