Die Festlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit beziehen sich heute jedes Jahr auf den Beitritt der DDR zum westdeutschen Verfassungsstaat (siehe Vorwort dieser Ausgabe). Von 1954 bis 1990 erinnerte dieser Feier- und Gedenktag in der BRD jedoch an eines der wichtigsten DDR-Ereignisse – den Aufstand vom 17. Juni 1953. In der Retrospektive scheint das erklärungsbedürftig.
Der Film „Zwei Tage Hoffnung“ erinnert an dieses Ereignis. Er entstand im Kontext des „Erinnerungsbooms“ des Jahres 2003. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern der Film das Verständnis dafür fördern kann, warum die BRD jahrzehntelang einen gesetzlichen Feiertag beging, der an ein Ereignis erinnerte, dass in der DDR stattgefunden hatte.
Der Inhalt kann an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden. Hierfür sei auf den Webbeitrag von Tasia Hohmann verwiesen (Hohmann 2025). Festzustellen ist, dass sich der Film, der in Zusammenarbeit mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk entstanden ist, eng an den historischen Fakten orientiert (ebd.). Neben der Darstellung der dramatischen historisch-politischen Ereignisse der Tage 15. bis 17. Juni 1953 wird die Geschichte der fiktiven Familie Kaminski entfaltet. Im Zentrum stehen die drei Männer der Familie: Helmut ist in den Westen geflohen und nun Redakteur beim Westberliner Radiosender RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor). Sein Bruder Wolfgang arbeitet für die SED in der Bezirksleitung Berlin-Friedrichshain und ihr Vater Otto ist Brigadeführer auf der Baustelle der Berliner Stalinallee. Die Frauen in den Nebenrollen ─ Mutter Kaminski und Wolfgangs Freundin Angelika ─ bleiben marginal.
Durch die Anordnung der Figuren erzeugt der Regisseur Peter Keglevic eine besondere Symbolik. Wolfgang Kaminski ist der (zunächst) überzeugte SED-Mann, der an den Aufbau des Sozialismus glaubt und mit schulbuchmäßiger antifaschistischer Rhetorik ausgestattet ist. Er repräsentiert den DDR-Staat im Film. Vater Otto ist von der DDR überzeugt, doch sein Bauauftrag und „seine Arbeiter“ sind ihm am wichtigsten. Er steht für die DDR-Arbeiter*innen und deren Arbeiter*innenstolz. Helmut verkörpert den Westen und den vom Regime Enttäuschten, der geflohen ist, da der (wahre) sozialistische Aufbruch abgewürgt wurde.
Die Story des Films verbleibt eng am historischen Szenario des 17. Juni. Er lässt nicht erkennen, warum der 17. Juni fortan als Nationalfeiertag eine so überragende geschichtspolitische Bedeutung in der BRD hatte. Ebenso wenig erfahren wir etwas über die Folgen des Aufstands: die Massenverhaftungen, die Fluchten in den Westen oder die propagandistische Einschätzung des Regimes, der Aufstand wäre von „westdeutschen Agenten gesteuert“ gewesen. Auch die nachhaltig abschreckende Wirkung der Sowjet-Panzer auf die Protestkultur der DDR bleibt unsichtbar. Am Ende des Films wird zwar eine Bilanz des 17. Juni eingeblendet, die weitreichenden Folgen werden jedoch nicht thematisiert.
Der Film „Zwei Tage Hoffnung“wurde im Jahr des 50. Jahrestages des Aufstands im deutschen Fernsehen gezeigt und reiht sich damit in den „Erinnerungsboom“ ein. Um das Jahr 2003 setzte eine intensive mediale Aufbereitung des 17. Junis ein, wodurch es zu einem der am besten erforschten Ereignisse der jüngsten deutschen Geschichte wurde (Wolfrum 2003). Die Vielzahl an erinnerungskulturellen Initiativen und wissenschaftlichen Publikationen war auch eine Reaktion auf die Ergebnisse einer Emnid-Umfrage von 2001, wonach nur 43 Prozent der Befragten das Ereignis des 17. Juni historisch einordnen konnten (Wolfrum 2003: 33).
Bei diesen Initiativen fällt auf, dass der Aufstand in der DDR multiperspektivisch und vielschichtig beleuchtet wurde, während die Instrumentalisierung des Ereignisses als Tag der deutschen Einheit durch die BRD weitestgehend unerwähnt blieb. Der in einem erstaunlich schnellen Tempo noch 1953 verabschiedete Beschluss, den 17. Juni zu einem Feiertag zu erklären, wurde 1990 – mit der tatsächlich vollzogenen Vereinigung – schon wieder aufgehoben. Die Festlegung des 3. Oktober als neuer Nationalfeiertag löste kaum Proteste aus (Renaudot 2009). Im „Erinnerungsboom“ von 2003 wurde jedoch nicht die bundesrepublikanische Erinnerungskultur zum 17. Juni thematisiert, sondern lediglich das Ereignis selbst in den Fokus gerückt. Deshalb ist vielen Menschen heute unbekannt, dass der Tag der deutschen Einheit einst am 17. Juni gefeiert wurde.
Die (westdeutschen) Filmemacher*innen verfolgten mit dem Film ein Ziel: die Ereignisse des 17. Juni-Aufstands narrativ und in personalisierter Form aufzubereiten. Der Film eignet sich, sofern er in einen didaktischen Kontext eingebettet wird, gut zum Einsatz in der Schule. Allerdings wird nicht deutlich, weswegen der 17. Juni zum gesetzlichen Feiertag in der BRD wurde. Die Rolle und die Reaktion des Westens werden im Film beschränkt auf den RIAS-Redakteur und den interviewten Gewerkschaftsführer. Der Fokus der Filmemacher*innen liegt auf der Dynamik der Ereignisse und darauf, die ostdeutschen Akteure und deren Forderungen zu präsentieren. Damit fügt sich der Film repräsentativ ein in die Reihe kultureller und medialer Produktionen, die im Jahr 2003 zur Geschichte des 17. Juni erschienen.
Für eine umfassende Behandlung der Geschichte des Tags der deutschen Einheit kann der Film lediglich als Einstieg dienen, um einen Überblick über die Ereignisse zu gewinnen. Er legt den Schwerpunkt auf die Forderungen der demonstrierenden Arbeiter*innen: allgemeine Freiheit, freie Wahlen, eine neue Regierung und sozialpolitische Verbesserungen. Dadurch kann eine Brücke zu der symbolischen Aufladung, die der Westen dem Tag ab 1953 verlieh, gebaut werden. Die Forderung nach deutscher Einheit wird an keiner Stelle im Film gezeigt. Dennoch lässt sich mithilfe des Films diskutieren, inwiefern die BRD den Aufstand zur Legitimation ihres Systems heranzog (Klessmann 2003) und die verschiedenen Forderungen der Demonstrierenden auf die nach der deutschen Einheit reduziert wurden.
Keglevic, Peter (Regie) / Schmidt, Holger Karsten (Drehbuch): Zwei Tage Hoffnung, TV-Produktion: teamWorx, Deutschland 2003.
Hohmann, Tasia: Zwei Tage Hoffnung, in: DDR im Film, 2025, URL: https://ddr-im-film.de/de/film/zwei-tage-hoffnung [eingesehen am 09.08.2025].
Klessmann, Christoph: Der 17. Juni 1953 im Geschichtsbild Deutschlands gestern und heute. Vortrag auf dem Workshop der Bundeszentrale für politische Bildung und des Zentrums für Zeithistorische Forschung: „... zum Beispiel 17. Juni 1953 – Die 50er Jahre – Geschichten aus der Geschichte“, Potsdam, 12.–14. Februar 2003, in: 17juni53.de, 2024, URL: https://17juni53.de/home/gedenk/klessmann.html [eingesehen am 24.08.2025].
Renaudot, Myriam: Der Siebzehnte Juni, in: Sabrow, Martin (Hrsg.): Erinnerungsorte der DDR, München 2009, S. 516–525.
Wolfrum, Edgar: Neue Erinnerungskultur? Die Massenmedialisierung des 17. Juni 1953, in: APuZ (Aus Politik und Zeitgeschichte), 40–41 (2003), S. 33–39.