Der Dreißigjährige Krieg war ein Bürgerkrieg im Heiligen Römischen Reich, der 1648 durch den Westfälischen Frieden beendet wurde. Begonnen hatte er mit einer anti-habsburgischen, von Protestanten getragenen Revolte in Böhmen. Bis zum Schluss kämpften viele Reichsstände als Verbündete Schwedens und Frankreichs sowohl gegen den katholischen habsburgischen Kaiser als auch gegeneinander. Die auswärtigen Mächte kämpften wiederum gegen eine Dominanz der habsburgischen Dynastie und somit für reichsständische und protestantische Interessen. Den Frieden schlossen schließlich das Heilige Römische Reich – der Kaiser und über dreihundert Reichsstände – mit den verbündeten Kronen Schweden und Frankreich, die seit 1630 bzw. 1635 in die Auseinandersetzung involviert waren. Ihr Eingreifen hatte dazu beigetragen, konfessionelle Konflikte und Verfassungsfragen im Reich – die Auslöser für den Krieg gewesen waren – zu lösen. So kamen eine Verfassungsreform und ein Religionsfriede im Reich zustande, die in einen internationalen Friedensvertrag eingebettet wurden. Genau darin liegt eine Besonderheit des Westfälischen Friedens: Er wurde nach seiner Aushandlung Teil der Reichsverfassung, und die beiden auswärtigen Mächten garantierten ihn.
In jüngster Zeit blicken wir verstärkt auf die Praktiken des Friedenschließens, die 1648 zum Erfolg führten – nicht, um dieses Modell zu übertragen, sondern um die Handlungsweisen zu verstehen, die sich damals bewährt haben.
Der Westfälische Friede war in einen Prozess eingebettet: Voraus gingen ein Krieg, der dreißig Jahre dauerte, aber auch immer wieder Verhandlungen. Im Laufe der Zeit veränderten sich Ziele und Akteur:innen wechselten. Der Friedensprozess endete zudem nicht 1648, denn der Friede musste nach dem Friedensschluss auch umgesetzt werden. Zudem war der Dreißigjährige Krieg von Beginn an international, da die Habsburger eine globale Dynastie waren und Spanien den Kaiser unterstützte. Der Kaiser musste im Westfälischen Frieden die Mitsprache der Reichsstände und protestantische Interessen akzeptieren. Ob das Reich ohne das Eingreifen Schwedens und Frankreichs seine inneren Konflikte hätte langfristig überwinden können, ist fraglich.
Von Beginn des Krieges an, also seit 1618, hatte es immer wieder Verhandlungen gegeben. 1635 schlossen der Kaiser und zahlreiche Reichsstände sogar den Prager Frieden, der aber nicht hielt und wichtige Punkte nicht klärte. Der Erfolg des Westfälischen Friedens gründete nicht zuletzt darauf, dass die jeweiligen Beteiligten nie die Bereitschaft zu Verhandlungen verloren. Ihre verschiedenen Etappen waren Bausteine des späteren Friedens, denn mit den Bestimmungen des Prager Friedens konnten die Unterhändler zehn Jahre später weiterarbeiten. Darüber hinaus stellten die Verhandlungen immer wieder Nähe zwischen den Konfliktparteien her. Sie signalisierten, dass ein Friede das gemeinsame Ziel blieb, und boten den Gegner:innen die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen und Verhandlungsspielräume einzuschätzen. Verhandelt wurde nicht erst, wenn sich ein klares Ergebnis des Krieges abzeichnete. Man nahm in Kauf, dass Verhandlungen scheiterten. Krieg und Verhandeln waren keine absoluten Gegensätze.
Hinter dieser Einstellung steht die zeitgenössische Vorstellung, die christliche Gemeinschaft werde durch den Krieg nicht zerstört. Krieg besaß eine gewisse Normalität und sein Rahmen war durch die Lehre vom gerechten Krieg geregelt. Zudem existierte eine Routine, die besagte, dass jeder Krieg auf das Ziel des Friedens hin ausgerichtet sei: Es war die Absicht, zu Gegner:innen wieder gute Beziehungen herzustellen, und nicht, sie zu vernichten. Es gab keine Kriegsschuldfrage oder Aufarbeitung. Im Westfälischen Frieden wurde entsprechend eine allgemeine Amnestie mit immerwährendem Vergessen vereinbart. Die Gegner:innen wurden per Vertrag zu Freund:innen und verpflichteten sich, künftig ihre gegenseitigen Interessen zu fördern. Ein Friedensschluss war also keine Demütigung, sondern eine gemeinsame Grundlage für die Zukunft. Im 17. Jahrhundert gab es entsprechend dieser Routinen des Krieges also gleichfalls eine Routine der Kriegsbeendigung. Krieg und Frieden wurden immer zusammen gedacht.
Anuschka Tischer mit Vasco Kretschmann (links) und Dimitrij Davydov (rechts) im Gespräch. © Christiane Deuse
Der Dreißigjährige Krieg stach allerdings durch seine Dauer und Komplexität heraus. Entsprechend gingen mit dem Westfälischen Frieden besondere Maßnahmen einher. Neu war das Phänomen des Kongresses, bei dem über hundert Delegationen zusammentrafen. Die Teilnehmer demonstrierten, dass sie Zeit und Geduld hatten: Sie brachten ihre Familien mit, und es entstand ein gemeinsames soziales Leben. Der Kongress als Form wurde zum neuen Modell der Friedenskultur, schloss jedoch im Falle des Westfälischen Friedenskongresses auch an etablierte Formen an. Das machte einen Teil seines Erfolges aus. Beispielsweise konstituierten sich hier die Delegationen der Reichsstände in den auf Reichstagen üblichen Gremien, denen klare Verfahrensweisen und Geschäftsordnungen zugrunde lagen.
Neu war der öffentliche Druck, der durch Zeitungen und andere Medien aufgebaut wurde und auf den Verhandlungen lastete. Die Kriegsgegner:innen nutzten zwar die Öffentlichkeit, standen aber zugleich vor der Aufgabe, die für Verhandlungen notwendige Vertraulichkeit herzustellen. Da der mediale bzw. öffentliche Druck so hoch war, brach niemand leichtfertig die Verhandlungen ab. Vielmehr waren die kriegführenden Mächte schließlich so pragmatisch, einen Frieden zu schließen, der nicht alle Konflikte beendete (der französisch-spanische Friede kam nicht zustande), bevor sie die Verhandlungen ganz scheitern ließen oder durch endlose Verhandlungen alles Erreichte gefährdeten. Dazu trug bei, dass sich im letzten Verhandlungsjahr mindermächtige Reichsstände konfessionsübergreifend jenseits der Großmächte als „Dritte Partei“ positionierten und auf diese Druck ausübten. Auch hier spielten etablierte Verfahren eine Rolle, insbesondere die administrative Führung durch den Kurfürsten von Mainz als Reichserzkanzler. Unter dem Friedensdruck klärten die Unterhändler die letzten offenen Fragen und schlossen aus, was nicht geklärt werden konnte. Die friedenschließenden Parteien nahmen in Kauf, dass mit dem andauernden französisch-spanischen Krieg der Teil des Heiligen Römischen Reiches unbefriedet blieb, in dem der spanische König Besitzungen hatte.
Der Westfälische Friede umfasste zahlreiche detaillierte Bestimmungen. Alle Streitpunkte, die den Krieg wieder hätten entzünden können, sollten geregelt werden. So wurde der Sohn des Kurfürsten von der Pfalz einbezogen, den der Prager Friede noch ausgeschlossen hatte, weil sich sein Vater nach 1618 an die Spitze der Böhmischen Revolte gestellt hatte, weshalb er mit seiner Familie vertrieben worden war. Da der Kaiser daraufhin die pfälzische Kurwürde an seinen Verbündeten, Maximilian von Bayern, übertragen hatte, schuf der Westfälische Friede für die Pfalz eine neue, achte Kurwürde. Diese einfache, durch Konsensfähigkeit und Kreativität herbeigeführte Lösung, kostete die Beteiligten freilich große Überwindung, denn sie veränderte die Goldene Bulle von 1356, das erste Reichsgrundgesetz.
Der Westfälische Friede brachte außerdem einen Ausgleich zwischen Katholiken und Protestanten. Auch hier fanden die Beteiligten mit dem sogenannten „Normaljahr“ eine originelle Lösung: Es schrieb die relativ ausgewogene konfessionelle Verteilung von 1624 dauerhaft fest. Es prägt in Grundzügen bis heute die konfessionelle Verteilung in Deutschland. Des Weiteren wurden offene Verfassungsfragen geklärt: Die Reichsstände erlangten ausdrücklich das Recht, Bündnisse zu schließen, und der Kaiser benötigte bei der Regelung von Reichsangelegenheiten fortan ihre Zustimmung. 1648 wurde der Föderalismus bestätigt, der in der deutschen Verfassung bis heute seinen Platz hat.
Alle Unterzeichnenden des Westfälischen Friedens garantierten seine Inhalte. Das war ein bedeutendes Element der Friedenssicherung. Jede:r stand damit für die Rechte der anderen ein, und Schweden und Frankreich garantierten die Reichsverfassung. Beide Mächte erhielten neue Gebiete, Garnisonsrechte und/oder Geldzahlungen als Kompensation dafür, dass sie sich für reichsständische Interessen gegen die Habsburger engagiert hatten. Allerdings war der Friedensprozess 1648 nicht beendet. Es folgten die Ratifikationen, ein Exekutionstag in Nürnberg und ein Reichstag in Regensburg. Die neue Rechtslage musste zudem mit Leben gefüllt werden.
Frieden ist ein langer Prozess, der mit dem Krieg beginnt und nicht mit dem Friedensschluss endet. Der Westfälische Friede brachte viele Elemente hervor, die Anregungen für heutige Prozesse liefern. Er steht aber in einem historischen Kontext, der sich nicht einfach auf die Gegenwart übertragen lässt. Gewisse zeitgenössische Vorstellungen sind heute inakzeptabel. Insbesondere ist es mittlerweile selbstverständlich, einen Kriegsschuldigen zu benennen und zur Verantwortung zu ziehen, sowie Kriegsverbrechen zu ahnden.
Die Geschichte – nicht nur des Westfälischen Friedens – zeigt, dass nach jedem Krieg irgendwann ein Frieden kommt. Das kann als Motivation dienen, jederzeit mit der Arbeit am Frieden zu beginnen, denn ein Friedensprozess braucht Geduld und mitunter auch Druck von außen. Es erleichtert den Frieden, wenn man etablierte Positionen in Frage stellt und gegebenenfalls auf einem gemeinsamen Weg zum Konsens überwindet. Frieden braucht darum auch unkonventionelle Ansätze. Hilfreich ist es, dafür alle existierenden Kommunikationsplattformen und Verfahrensweisen zu nutzen. Ein Friedensprozess ist allerdings nicht schon beendet, wenn ein Vertrag geschlossen wird, sondern erst dann, wenn der Friede umgesetzt und gelebt wird.
Literatur
Kampmann, Christoph: Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts (2. Auflage), Stuttgart 2013.
Westphal, Siegrid: Der Westfälische Frieden, München 2015.