Der Verein Berlin Postkolonial e.V. setzt sich für eine kritische Aufarbeitung der Kolonialgeschichte Berlins sowie die Offenlegung postkolonialer und rassistischer Denk- und Gesellschaftsstrukturen der Gegenwart ein. Seit 2007 ist der Verein, hervorgegangen aus zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen, aktiv und fordert immer wieder ein klares Bekenntnis zur historisch-politischen Verantwortung für die Verbrechen der deutschen Kolonialzeit. Neben den politischen Forderungen hat Berlin Postkolonial in Form von Stadtrundgängen und Schulprojekten Bildungsmöglichkeiten für unterschiedliche Zielgruppen geschaffen. Zudem ist der Verein an Ausstellungsprojekten beteiligt, derzeit zum Beispiel im Museum Treptow-Köpenick mit der Ausstellung „Zurückgeschaut“.
Die Stadtrundgänge des Vereins werden auf Anfrage organisiert. Sie finden in Berlin-Mitte (Friedrichstadt oder „Afrikanisches Viertel“/Wedding) statt, dauern etwa zwei bis drei Stunden und werden in der Regel von interkulturellen Teams durchgeführt. Laut dem Verein sind die Rundgänge auch für Schulklassen und Jugendgruppen geeignet. Für Schulklassen aus Berlin und Umgebung jeglichen Schultyps besteht zudem die Möglichkeit, gemeinsam mit Referent*innen von Berlin Postkolonial Projekte zu - nach Angaben des Vereins - postkolonialen, entwicklungspolitischen, bewusstseinsbildenden und interkulturellen Themen durchzuführen.
Gemeinsam mit der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und dem Museum Treptow-Köpenick hat Berlin Postkolonial die Ausstellung „Zurückgeschaut“ erarbeitet. Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Ersten Deutschen Kolonialausstellung, die 1896 im Treptower Park stattfand, sowie der einen ähnliche Idee verfolgende „Deutschen Afrika-Schau“ der Jahre 1935 bis 1940. Die Ausstellung ist eine Dauerausstellung und so konzipiert, dass sie bei Bedarf verändert und erweitert werden kann. Wie die Ausstellungsmacher*innen schreiben, reiche die Bedeutung der Ersten Deutschen Kolonialausstellung weit über die Bezirksgeschichte von Treptow-Köpenick hinaus. „Mit ihrer aufwendigen Inszenierung des deutschen Kolonialstaates unter ‚Anwerbung’ zahlreicher Menschen aus den deutschen Kolonien ist sie ein zentrales Ereignis der globalen Geschichte Berlins. Vor allem aber ist die Kolonialausstellung von herausragender Bedeutung für die Entwicklung der Afrikanischen Community vor Ort“, so die Zusammenfassung auf der Homepage.
Wie sich Kontinuitäten durch die Jahrzehnte ziehen, zeigt sich am Schicksal des in der Ausstellung porträtierten Pianisten Kwassi Bruce. Aufgewachsen bei weiße deutschen Adoptiveltern, geboren in Togo, kommt er als jüngster Teilnehmer der Ersten Deutschen Kolonialausstellung mit seinen leiblichen Eltern nach Berlin. Knapp 40 Jahre später ist er Teil der „Deutschen Afrika-Schau“, zu deren Initiatoren er gehört. Vom nationalsozialistischen System angedacht, Schwarze Deutsche „in Baströcken mit Tanz- und Gesangseinlagen dem Publikum als treue ehemalige Kolonialuntertanen aus Afrika“ zu präsentieren, bot sie den Darsteller*innen eine der wenigen Möglichkeiten, den Nationalsozialismus zu überleben.
Die angedeutete Herausarbeitung von Verflechtungen zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus sowie die Kontinuitäten von rassistischen Vorstellungen machen die Ausstellung in dieser Form einzigartig. Ebenfalls von Bedeutung ist an dieser Stelle die Beteiligung Schwarzer Menschen, was – so die Ausstellungsmacher*innen – maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung des Ausstellungskonzeptes nahm. Dazu gehörten die Auswahl der Bilder und Ausstellungstexte, in denen rassistisches Vokabular vermieden oder apostrophiert wird.