Die Graphic Novel „Mauthausen“ von Jordi Peidro erzählt das Leben, bzw. die Erlebnisse von Francisco Aura Boronat, der sich den Republikanischen Milizen im Kampf gegen Franco anschloss und nach einigen Zwischenstationen für vier Jahre im Konzentrationslager Mauthausen inhaftiert war.
Unterteilt ist die Graphic Novel in unterschiedlich lange, thematische Abschnitte, die jeweils einen Lebensabschnitt von Francisco Aura erzählen. Der Einstieg erfolgt aus der rückblickenden Perspektive, datiert in den März 2001, als Aura Studierenden seine Lebensgeschichte erzählt. Mit dem Satz „Vielleicht ist es besser, ich fange von vorne an“ (S.16) wird die historische Handlung eingeleitet. Diese setzt mit dem Spanischen Bürgerkrieg 1936 ein, in dessen Verlauf sich Aura den Verteidigern Madrids anschloss. Um den Faschisten zu entkommen, ging Francisco Aura nach Frankreich, wo er im Februar 1939 ankam. Mit Kriegsbeginn in Westeuropa schloss sich Aura den ausländischen Arbeitskompanien an. In dieser Funktion bereitete er die Festungsanlagen der der Maginot-Linie an der östlichen Grenze Frankreichs. Verteidigungssystem an der östlichen Grenze Frankreichs vor.
Nach der Invasion durch das nationalsozialistische Deutschland 1940 flieht Francisco Aura, wird jedoch aufgegriffen und kommt in das Konzentrationslager Mauthausen. Dort ist auch die Haupthandlung der Graphic Novel angesiedelt. Zeichner Jordi Peidro lässt auch hier weiter Francisco Aura selbst sprechen, so dass „Mauthausen“ ein „authentisches“ Zeitzeugendokument wird. Gerade durch die eher außergewöhnliche Darstellung in verbildlichter Form, unterstützt von wenigen, ergänzenden Textboxen und Sprechblasen, kann das Schicksal von Francisco Aura nachverfolgt werden.
Wie die gesamten Erinnerungen ist auch die Zeit im Konzentrationslager Mauthausen zeichnerisch detailliert ausgearbeitet, wirkt dabei jedoch nie überfrachtet. Deutlich wird die Zurückhaltung des Zeichners insbesondere in der Darstellung von gefolterten und getöteten Insassen des Konzentrationslagers. Zwar sind diese deutlich als solche erkennbar, werden jedoch niemals aufdringlich oder mit besonderer Härte gezeigt. Allgemein scheint die Bildsprache mehr auf Ausdruck in den lebenden Personen sowie Symboliken zu setzen. So berichtet Francisco Aura, dass die Überlebenden bis zu 35 Todesarten in Mauthausen aufzählen konnten (S.89). Untermalt wird dies mit 35 gleichgroßen Comicbildern, die unterschiedliche Gesichter und Mimiken von Insassen zeigen sowie ein in Stücken gezeichnetes Hakenkreuz.
Beachtenswert ist auch die Farbgestaltung. Geht es um Motive wie Krieg, Misshandlungen und Folter sowie den daraus resultierenden Tod, sind die Bilder der Graphic Novel in einem rot-gelben-orangenen Farbschema gehalten. Beschreibungen äußerer Zustände wie etwa der „brutale[n] Kälte“ (S.87) oder der Geschehnisse auf der Krankenstation des Konzentrationslagers sind in Grün-, Blau- und Grautönen gehalten.
Neben dem eigentlichen Zeitzeugenbericht von Francisco Aura und seiner Geschichte, der als Kriegsgefangener nach Mauthausen kam und sich eben als solcher erinnert, ist auch interessant, wie er auf den Holocaust blickt und wie dieser dargestellt wird. „Der Holocaust? Wir wussten nichts davon.“ (S.102) sagt Aura zu Beginn des entsprechenden Abschnittes der Graphic Novel. Jeder sei mit sich selbst beschäftigt gewesen, mit der eigenen Arbeit: „Deshalb wussten wir nicht von dem, was um uns geschah. Nicht einmal von den Gaskammern“ (S.102). Jüdische Häftlinge werden jedoch als solche von den anderen Häftlingen erkannt und auch Gewalttaten gegen diese bzw. deren Ermordung durch die SS oder die Kapos werden geschildert. Allgemein nimmt die Erinnerung an Ermordungen, aber auch an Suizide einen großen Teil der Erinnerungen Auras an das Konzentrationslager Mauthausen ein: „Jeden Tag sahen wir Tote. Die meisten starben durch Gewalt. Die Ausnahme war ein Tag ohne sie. An die ich mich erinnere, wie an den ersten Tag.“ (S.126). Die Zeichnungen unterstreichen dabei stets das Gesagte, ergänzen nichts und lassen nichts aus.
Zu den Lebenserinnerungen Francisco Auras, die in der Graphic Novel Erwähnungen finden, zählt auch die Zeit nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager. Der Befreiung durch die Amerikaner selbst ist ein ganzes Kapitel gewidmet, auch wenn Aura sich nach eigener Aussage an diesen Tag kaum erinnert (S.165). Auch hier ist wieder die Farbgebung auffällig: Mit der Befreiung finden sich kaum noch rote, gelbe oder orangene Farbtöne in den Zeichnungen. Es überwiegen gräuliche, bräunliche Farben, was den Bildern die Aura alter Fotografien verleiht – passend für Erinnerungen.
Der Graphic Novel ist ein kurzer Anhang mit Zahlen und Fakten zum Konzentrationslager Mauthausen beigefügt. Außerdem kommen die Kinder von Francisco Aura zu Wort. Sie beschreiben darin ihren ganz eigenen Umgang mit der Vergangenheit ihres Vaters, aber auch wie sie ihren Vater und eben seinen Umgang mit dieser Vergangenheit erlebt haben. Zudem finden sich historische Fotographien von Francisco Aura und eine Abbildung seiner Deportationskarte. Diese Dokumente ergänzen den Zeitzeugenbericht sinnvoll und ermöglichen Fragen nach der Auswirkung einer solchen Lebensgeschichte bis in die Gegenwart zu erforschen. Für die Bildungsarbeit wären an dieser Stelle Leitfragen bzw. pädagogische Begleitmaterialien nützlich.
Insbesondere im Hinblick auf die Gestaltung der Bilder bleibt zu fragen, inwieweit die Graphic Novel als tatsächlicher Zeitzeugenbericht betrachtet werden kann oder lediglich als Ergänzung zu diesem. Da eine bildliche Gestaltung, die nicht von Zeitzeug*innen selbst stammt, stets auch Interpretation der Zeichner*innen enthält, besteht stets die Gefahr der Verfremdung und Eigeninterpretation durch die Gestaltenden. Wichtig ist es daher stets – wie bei jedem Zeitzeug*innenbericht – quellenkritisch heranzugehen. Werden diese Aspekte beachtet, eignet sich die Graphic Novel „Mauthausen“ hervorragend, einen eher ungewöhnlichen Zugang zur Thematik zu finden. Nicht nur im Unterricht kann „Mauthausen“ eine gute Ergänzung zu konventionellen Materialien sein. Sie bietet das Potential, Personen zu erreichen, die mit herkömmlichen Methoden, wie zum Beispiel verschriftlichten Zeitzeug*innenberichten, eher weniger anfangen können.