Das Institut für Menschenrechte beschäftigte sich in einer hauseigenen Studie aus dem Jahr 2014 unter dem Titel „Menschenrechtsbildung für Kinder und Jugendliche. Befunde und Empfehlungen für die deutsche Bildungspolitik“ mit der Frage, worin die Relevanz von Menschenrechtsbildung liegt und wie diese umgesetzt werden sollte. Die Autorinnen Sandra Reitz und Beate Rudolf gehen dabei der Frage nach, „wie Deutschland seine völkerrechtliche Verpflichtung zur Menschenrechtsbildung für Kinder und Jugendliche gut erfüllen kann“ (S.7). Um Möglichkeiten hierfür zu ermitteln, führte das Institut im Herbst 2014 eine Umfrage bei den Ministerien der Bundesländer durch, welche für die Aus- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte zuständig waren (S.11). Bevor die Ergebnisse dieser Befragung dargelegt und analysiert werden, gehen die Autorinnen der grundsätzlichen Frage nach, warum es Menschenrechtsbildung braucht. Sie sehen dies als grundlegend für die Verwirklichung der Menschenrechte an. Denn wer seine Menschenrechte verinnerlicht hat, so die These, fordert auch die Umsetzung und Beachtung dieser für sich und andere vom Staat ein (S.12). Daher plädieren Reitz und Rudolf für eine universelle Menschenrechtsbildung, die beispielsweise auch Menschen mit Behinderung einschließt. Insbesondere Kinder und Jugendliche seien wichtige Adressat_innen, da sie zu einer Kultur der Menschenrechte beitragen könnten und als Erwachsene die Zukunft wesentlich mitbestimmten (S.15). Im Falle einer misslungenen Menschenrechtsbildung, so die Befürchtung der Autor_innen, blieben Menschenrechte unbekannt oder unverstanden, so dass sie keine gesellschaftliche und politische Wirkmacht entfalten könnten (S.16).
Dies führt zur nächsten großen Frage der Studie: Was ist eigentlich Menschenrechtsbildung? Im Rahmen der Studie werden die Reichweite und die Inhalte der staatlichen Verpflichtung zur Menschenrechtsbildung unter die Lupe genommen. Weiter wird in diesem Zusammenhang nach der Nutzbarmachung anderer Ansätze gefragt. (S.17) Die Ziele der Menschenrechtsbildung finden sich in Artikel 4 der Erklärung der Vereinten Nationen über Menschenrechtsbildung und -training. Aus diesen resultieren die Autor_innen der Studie, dass Menschenrechtsbildung drei Aspekte umfassen müsse: Wissensvermittlung, adressatenspezifische Handlungsorientierung sowie Bewusstseinsbildung (S.17). Vor diesem Hintergrund erarbeiten die Verfasser_innen Überschneidungen und Bezugspunkte zwischen verwandten Disziplinen wie der politischen Bildung/Demokratie-Erziehung, Historischen Lernen, Toleranzerziehung, Friedenspädagogik, interkultureller Bildung und globalen Lernen. Die Gemeinsamkeiten liegen dabei überwiegend in der Fokussierung auf die Lernenden sowie den Versuch, möglichst partizipativ zu arbeiten. Die konkret menschenrechtliche Anbindung fehlt jedoch meist. Diese sei jedoch nötig, so Sandra Reitz und Beate Rudolf, damit Unrecht als solches erkannt und bekannt werden könne: „Es macht einen Unterschied, ob ich aufgrund eines eher diffusen Ungerechtigkeitsgefühls um etwas bitte – zum Beispiel um Teilhabe – oder ob ich es einfordere, weil es „mein gutes Recht“ ist“ (S.21).
Wie muss nun diese Menschenrechtsbildung aussehen? Dafür fassen die Autor_innen der Studie allgemeine Leitlinien für die Menschenrechtsbildung zusammen. Sie unterscheiden dabei zwischen Bildung über, durch und für Menschenrechte. Die Bildung über Menschenrechte soll neben dem reinen Wissen über eben diese selbst sowie wichtige Instrumente zum Schutz dieser (Konventionen, Dokumente etc.) auch die Vermittlung der damit verbundenen Werte einschließen. In der Bildung durch Menschenrechte sehen Reitz und Rudolf „die Notwendigkeit einer möglichst partizipativen, inklusiven und diversitätsbewussten Lernumgebung“ (S.24) gegeben. Um diese ideale Lernumgebung zu erreichen, müssen viele Voraussetzungen gegeben sein. Partizipation wird nicht nur als Beteiligung am Bildungsprozess betrachtet, sondern auch an zugehörigen relevanten Prozessen und Entscheidungen. Wenn die Umsetzung dieser Ansätze gelingt, ist die Bildung für Menschenrechte und das damit verbundene „Empowerment“ nur noch eine Frage der Zeit.
Für Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter_innen besonders interessant wird der abschließende Teil der Studie. Unter Punkt 4.3 (S.28f) gehen die Autor_innen auf die Umsetzung der Menschenrechtsbildung in Bildungsmaterialien ein. Dabei entsteht eine kompakte Übersicht, welche Materialien es gibt. Auch Empfehlungen sprechen die Verfasser_innen aus.
Im Hinblick auf die durchgeführte Umfrage in den Ministerien wird zudem festgehalten, dass beispielsweise für die frühkindliche Menschenrechtsbildung in mehreren Bundesländern entsprechende Bildungspläne erarbeitet worden sind (S.30). Für die Schulen finden sich entsprechend formuliert Bildungsziele in den jeweiligen Schulgesetzen der Bundesländer. Kritisch angemerkt wird in diesem Zusammenhang die häufigen Formulierungen zum Christentum als Lernziel. Auch wenn sich diese in der Regel auf christliche Tradition und Traditionen beschränken, sehen die Autor_innen darin doch potentielle Diskriminierungsgefahr gegenüber anderen Religionsgemeinschaften.
Besondere Bedeutung wird in der Studie der außerschulischen Menschenrechtsbildung zugeschrieben, da hier größere Gestaltungsräume bestehen. Die Angebote seien in der Regel geprägt von Freiwilligkeit, Offenheit und Erfahrungsbezogenheit, was gegenüber den schulischen Einrichtungen einen offeneren Diskurs ermögliche. Wie die Studie erfasst, gibt es hierfür kein klares und gemeinsames Verständnis von Seiten der Ministerien. An dieser Stelle sei auf die Empfehlungen verwiesen, die die Autor_innen in diesem Kapitel einarbeiten. So wird beim außerschulischen Lernen hinzugefügt: „Das Deutsche Institut für Menschenrechte empfiehlt Bund, Ländern, Kommunen, Bildungsträgern und anderen institutionellen Bildungsakteuren, Menschenrechtsbildung als Thema der außerschulischen Bildung systematisch aufzugreifen. Menschenrechtsbildung sollte auch bei Entwicklungsprozessen von Bildungseinrichtungen berücksichtigt werden“ (S.35).
Besonders diese Empfehlungen, die eher konkrete Verbesserungsvorschläge auf Grundlage der Studienergebnisse sind, machen die Studie für Fachkräfte genauso wertvoll wie für Pädagog_innen, die sich mit der Weiterentwicklung von Konzepten zur Menschenrechtsbildung auseinandersetzen.
Die Studie ist als PDF verfügbar und kostenlos abrufbar.