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In heutigen Diskursen über die Berührungspunkte arabischer Muslim_innen mit dem Nationalsozialismus ist ein Bild vorherrschend: Das der Kollaboration. Nicht selten wird dabei vielen Teilen der Bevölkerung des Nahen Ostens eine grundsätzlich wohlwollende Haltung gegenüber Nazi Deutschland unterstellt (Mallmann/Cüppers 2006: S. 41ff.). Eine solche Deutungsweise kann jedoch dem Facettenreichtum der arabischen Welt im Umgang mit dem NS-Regime nicht gerecht werden (Gershoni 2015: S. 1ff.; Gershoni/Nordbruch 2011: S. 105ff). Das bedeutet keinesfalls, dass es keine Sympathien gegeben hätte (Nordbruch 2009: S. 1), sondern eher, dass der Forschungsfokus vieler Arbeiten auf dem Gebiet oftmals zu eng gesetzt ist.[1]
Wohl am wenigsten bekannt sind hierbei die Schicksale arabischer Muslim_innen, die während der NS-Zeit in Konzentrationslager inhaftiert waren. Den International Tracing Service (ITS) erreichen zurzeit vermehrt Anfragen über Unterlagen zu diesen Menschen, die instruktives Material für die archivpädagogische Arbeit mit (zum Beispiel) Geflüchteten abgeben würden. Berührungspunkte arabischer Menschen mit dem Nationalsozialismus sind jedoch schwer nur auf einzelne Aspekte zu begrenzen, so waren viele der späteren Opfer davor selber Kollaborateure. Andererseits schützten auch muslimisch-arabische Personen, unter Einsatz ihres Lebens, Verfolgte vor dem Nazi-Regime.[2]
Dieses Papier hat weder die Möglichkeiten, noch den Anspruch, dieses vielfältige und breite Thema erschöpfend darzustellen. Im Vordergrund soll vielmehr ein beispielhafter Umgang mit ITS-Unterlagen und mit Forschungsliteratur stehen, der das Potential des Themas für die historisch-politische Bildung beleuchten und Grundlagen für weitere pädagogische Arbeit schaffen soll.
Im Folgenden werde ich zunächst den Blick auf die arabisch-nationalsozialistische Zusammenarbeit (Kollaboration) richten. Anschließend liegt der Schwerpunkt auf Diskriminierung und Verfolgung arabischer Muslim_innen im Nationalsozialismus, wobei arabische KZ-Häftlinge das Hauptaugenmerk bilden. Nach Gerhard Höpp lassen sich diese grob in verschiedene Gruppen einteilen, von denen vier in dieser Arbeit vorgestellt werden sollen: die Angehörigen arabischer Migrant_innen, ehemalige Zwangsarbeiter_innen, sogenannte „Rotspanienkämpfer“ und Widerstandskämpfer_innen (2004: S. 215ff.). Besonderes Augenmerk hat hierbei der Dokumentenbestand des ITS, der es erlaubt die verschiedenen Gruppen mit Einzelschicksalen weiter auszuführen.
Zu den bekanntesten Charakteren der arabischen Kollaboration zählt Amin al-Husseini. Auf sein Mitwirken lassen sich unter anderem ein Putsch im Irak, einige Sabotageakte in den britisch-arabischen Kolonien und die Aufstellung der muslimischen SS-Division „Handschar“ zurückführen[3] (Gensicke 2007: S. 113ff.). Auch empfing er bereits 1937 eine Delegation von nationalsozialistischen Funktionären, der unter anderem Adolf Eichmann angehörte, in Palästina.[4]1942 „besichtigte“ er schließlich sogar das Konzentrationslager Sachsenhausen; ein Nazi-Funktionär gab später zu Protokoll: „Insbesondere die Juden hatten das Interesse der Araber erregt.“[5] Wie populär Al-Husseini noch heute ist, zeigte eine Dichte von Publikationen, die sein Wirken in den Fokus zu Untersuchungen der Berührungspunkte zwischen dem NS-Regime und der arabischen Welt stellt (Wildangel 2015: S. 101-102).
Doch trotz der Bekanntheit des Namens al-Husseini sollte nicht vergessen werden, wie wenig „erfolgreich“ die Zusammenarbeit zwischen ihm und den Nazis eigentlich war. Der Putsch schlug innerhalb kürzester Zeit fehl, ein von ihm erhoffter erneuter arabischer Aufstand gegen Großbritannien blieb aus und Teile der SS-Division meuterten (Mallmann/Cüppers 2006: S. 105 ff.). Gleichzeitig war jedoch der Mufti von Jerusalem (sowie der Clan der Husseinis) kein unbedeutender Faktor im politischen Geschehen des Nahen Ostens: Angetrieben durch den Widerstand gegen die Kolonialmacht Großbritannien und der gestiegen jüdischen Migration in das Mandatsgebiet Palästina, entwickelte sich in den 1930ern ein blutiger Konflikt mit dem moderateren Clan der Nashashibis (Küntzel 2003: S. 41-43). Dabei zeigte sich, dass sich Antisemitismus europäischer Prägung (zu dieser Zeit) zumeist erst in den Gebieten ausbreitete. Organisationen wie die ägyptischen Muslimbrüder boten dabei reichhaltige Anknüpfungspunkte und integrierten erfolgreich antisemitisch-ideologische Elemente des Nationalsozialismus in eigene Strukturen (Küntzel 2003: S 50-51). Die jüdische Migration in das Mandatsgebiet spielte dabei stets eine Schlüsselrolle, die von radikalen Kräften zum eigenen Vorteil instrumentalisiert wurde. Obwohl dies dem NS-Regime entgegenkam, gab es in Deutschland stetig Vorbehalte gegenüber Muslim_innen als Verbündete, die auch Hitler (aus einer kolonial-rassistischen Perspektive) als „primitiv“ betrachtete (Koop 2012: S. 53).
Auch wenn Muslim_innen weiterhin als der deutschen Bevölkerung unterlegen eingestuft wurden, erkannten führende NS-Politiker den Nutzen muslimischer Kampfverbände, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Wehrmacht ab 1941 enorme Verluste verzeichnete. Dabei wurde der vermeintliche „muslimische Fanatismus“ sogar als besonders erstrebenswerte Eigenschaft potentieller Soldaten gehandelt und die Nazis versuchten, Anknüpfungspunkte ihrer Ideologie zum Islam herzustellen. Jedoch gab es kaum nennenswerte arabische Kampfeinheiten auf deutscher Seite, im deutlichen Gegensatz zu den muslimischen Einheiten in der Sowjetunion (Koop 2012: S. 11-20). Das lag zum einen an den bereits erwähnten Vorbehalten, sowie an Machtkämpfen zwischen al-Husseini und anderen führenden Kollaborateuren, zum anderen an der Rücksichtnahme des NS-Regimes auf das verbündete Italien, das ein eigenes Kolonialreich in Nordafrika anstrebte (Gensicke 2007: S. 74-86).
In der Forschung wird die Frage, wie sehr sich die arabische Bevölkerung in Ländern wie Palästina, Syrien, Ägypten oder dem Irak für das NS-Regime begeistern konnte, kontrovers diskutiert. Zeigten sich einige Kräfte für die Achsenmächte begeisterungsfähig, auch für den italienischen Faschismus (Nordbruch 2009: S. 15; Gershoni/Nordbruch 2011: S. 114-116), gab es durchaus starke skeptische Stimmen oder alternative politische Bewegungen, wie zum Beispiel Kommunistische Parteien (Wildangel 2015: S. 122-125). Insbesondere die Frustration über die Kolonialpolitik der Großmächte Frankreich und Großbritannien gab ersteren Kräften deutlichen Aufschwung, jedoch führte auch Italiens Kolonialpolitik (zum Beispiel durch das brutale Vorgehen im Äthiopienkrieg) zu weiterer Radikalisierung (Gershoni/Nordbruch 2011: S. 183-184). Volker Koop schrieb dazu: „Die wenigsten Muslime standen auf Seiten der Nationalsozialisten, weil sie deren Ideologie unterstützen. Vielmehr glaubten die meisten von ihnen, sie könnten nach dem auch ihnen versprochenen `Endsieg` auf ihren eigenen zumindest weitgehend souveränen Staat hoffen.“ (Koop 2012: S. 81).
Entgegen den Versprechen von al-Husseini und anderen, war das Leben von arabischen Muslim_innen im Europa des „Dritten Reiches“ überwiegend von Ausgrenzung und Diskriminierung gezeichnet. Obwohl die Forschung dieses Thema im Generellen bisher wenig beachtet hat, liegen mit den Arbeiten von Bernd Bauknecht und Gerhard Höpp bereits systematische Untersuchungen hierzu vor. Wie Höpp herausstellt, betrachtete das NS-Regime, trotz aller Sympathien für die „fanatischen“ muslimischen Soldaten, arabische Menschen als „minderwertiger“ als Deutsche und hatte somit große Bedenken bei der „Rassenhygiene“ im Zusammenleben beider Gruppen (Höpp 2004: S. 219).
Dieser Rassismus drückte sich auch im Umgang mit Migranten mit arabischen Wurzeln aus: So gab es beispielsweise Übergriffe auf ägyptische Studenten in Wien und Tübingen (die nicht geahndet wurden), besondere Härte gegen arabische Straftäter oder der erzwungene Verkauf einer Gastronomie eines Nordafrikaners aus Berlin unter fadenscheinigen Gründen (Höpp 2004: S. 218 und 238-242).
Allerdings, wie unter anderem Rosa Fava aufzeigte, wurden Muslim_innen zwar wegen angeblicher „rassischer“ Unterschiede - zum Beispiel der Hautfarbe - diskriminiert und zum Teil verfolgt, aber eben nicht, weil sie Muslim_innen waren. Zudem wurden Nordafrikaner als Zivil- und/oder Zwangsarbeiter_innen in deutschen Betrieben eingesetzt. Eine besondere Rolle spielte zudem die, vermeintliche, Verbindung zu Feindstaaten, wie die Zwangsinternierung arabischer Zivilisten zeigt, oder die gesonderte Behandlung arabischer Kriegsgefangener - die nur in Lagern außerhalb Deutschlands untergebracht waren (Höpp 2004: 220-231). Im Folgenden werden vier verschiedene Gruppen von arabischen KZ-Häftlingen anhand der Einordnung von Höpp dargestellt und zugleich aufgezeigt, welche Unterlagen dazu in den Beständen des ITS überliefert sind:
1. Die erste Gruppe umfasst überwiegend Araber_innen. Wie Zivilisten aus Feindstaaten, waren auch deren Frauen und Kinder von einer Zwangsinternierung betroffen, Unter diese Gruppe fallen auch die in den Unterlagen des ITS so bezeichneten „Marokkanermischlinge“, mit denen Kinder marokkanisch-französischer Soldaten mit deutschen Frauen während der Rheinbesatzung gemeint sind. Gerhard Höpp schätzt ihre Anzahl auf immerhin 500 bis 800 Personen. Da die Nationalsozialisten die Rheinbesetzung als besondere „Schmach“ betrachteten und die Verbindung ihrer Eltern als „Rassenschande“ definierten, hatten diese Menschen einen besonders schweren Stand. Ein solches Schicksal findet sich in den Unterlagen des ITS:
Lucie Muth, geboren am 24.05.1923 in Wiesbaden als Tochter einer Deutschen und eines Marokkaners, erlebte während des zweiten Weltkrieges eine Tortur durch verschiedene Lager und Haftstätten.[6] Dazu zählten das „Arbeitshaus Breitenau“, das „Jugendschutzlager Uckermark“ und schließlich auch das KZ Ravensbrück. Ihre Nationalität wird in den Unterlagen mit „Marokkaner-Mischl.“ angegeben, Haftart: „Asozial“. Ob das NS-Regime ihr noch weitere „Verbrechen“ (wie es die Haftart vermuten lässt) zur Last legt, lässt sich nicht abschließend sagen, da keine weiteren Dokumente über sie vorhanden bzw. erhalten sind. Einer späteren Anfrage an den ITS ist aber zu entnehmen, dass sie die NS-Zeit überleben konnte.
2. Eine zweite Gruppe stellen arabische Zivil-, und/oder Zwangsarbeiter_innen dar, die für ihre „Vergehen“ von den deutschen Stellen in Konzentrationslager eingewiesen wurden. Eine solche Einweisung konnte zeitlich begrenzt oder unbegrenzt sein, je nachdem welche Chance das Regime in der menschenverachtenden „Verwertbarkeit“ der Arbeitskraft sah (Höpp 2002: S. 380). Herrschten für Zivilarbeiter aus Nordafrika zu Beginn des Krieges noch überaus günstige Arbeitsbedingungen (höherer Lohn im Vergleich zu Vichy-Frankreich, Entgegenkommen bei islamischen Feiertagen) änderte sich das durch den Kriegsverlauf drastisch. Das Suchen nach billigen Arbeitskräften (Zwangsarbeitern) brachte schließlich auch viele arabische Immigrant_innen aus Frankreich nach Deutschland, die alles andere als freiwillig in den Betrieben arbeiten mussten (Brown-Fleming 2016: S. 199-202). Insbesondere gegen Ende des Krieges herrschten für viele Zwangsarbeiter_innen in den Industriezentren unmenschliche Lebensbedingungen (Herbert 2001: S. 20). Gegen unerlaubtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz wurde mit drakonischen Maßnahmen vorgegangen (Höpp 2004: S. 236-238).
Amar Gougam wurde am 24.04.1910 (oder am 24.10.1911) in Tinebdar (Algerien) geboren.[7] Gougam, französischer Bürger, wurde spätestens 1942 nach Deutschland verschleppt, um in München unter anderen für die Krauss-Maffei AG und AGFA zu arbeiten. Am 30.09.1943 wurde er in das KZ Dachau deportiert, von wo er drei Monate später in das KZ Flossenbürg verbracht wurde. Dort wurde er am 22.09.1944 ermordet.
3. Die Verfolgung politischer Gegner zeigt sich insbesondere bei den sogenannten „Rotspaniern“ Da der Begriff „Rotspanier“ unter nationalsozialistischer Herrschaft auf viele spanische Flüchtlinge in anderen Ländern ausgedehnt wurde, mussten es sich nicht zwingend um Veteranen des Bürgerkrieges handeln, die wenige Jahre zuvor gegen die spanischen Faschisten und deren deutsch-italienischen Verbündeten gekämpft hatten. Im nationalsozialistischen Vokabular ist allerdings von „Rotspanienkämpfern“, besonders im KZ Mauthausen, die Rede (Alff 1966: S. 264-291). Ob es sich bei den muslimischen Kämpfern um spanische Bürger oder Mitglieder der internationalen Brigaden handelt, lässt sich nicht abschließend klären.
Über die Schicksale der meisten muslimischen „Rotspanienkämpfer“ ist wenig bekannt, so auch über Ben Tahar Mokadem und Areski Kermiche.[8] Mokadem (geboren 11.03.1918 in Marokko) wurde am 07.04.1941 als „Spanier-Häftling“ vom Stalag XVII-A (Kaisersteinbruch) in das Konzentrationslager Mauthausen verbracht. Dort flüchtete er erfolgreich am 28.08.1941 vom Außenlager Vöcklabruck. Eine solche Flucht war Kermiche, geboren am 11.05.1919 in Algerien, nicht möglich. Er wurde am 02.03.1942 in Bagnolet (in der Nähe von Paris), im Rahmen der Operation „Meerschaum“, verhaftet. Ziel der Operation waren Regimegegner aus den besetzten Westeuropäischen Ländern, welche, im Sinn des „Nacht und Nebel-Erlass“, aus dem Umfeld ihrer Verwandten und Freunde einfach „verschwinden“ sollten. Kermiche wurde am 19.01.1944 in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert, danach verliert sich seine Spur.[9]
4. Genaueres ist über die arabischen politischen Gegner in den besetzten Ländern bekannt, die kommunistischen Parteien, Gewerkschaften oder sogar Widerstandgruppen (zum Beispiel der Résistance) angehörten (Höpp 2004: S. 242-245). Auch ist der Einsatz von arabischen Agenten in verdeckten alliierten Operationen belegt. Während arabische Muslim_innen sich in Europa nur an bereits bestehenden Widerstandsorganisationen beteiligten, bildeten sich zum Beispiel in Algerien eigene kommunistische Organisationen gegen das Vichy-Regime. Widerstand musste jedoch nicht zwangsläufig hochgradig organisiert sein, sondern konnte auch von Einzelnen ausgehen. Ein solches Beispiel stellt das Schicksal von Ali Bourzam da:
Geboren 25.12.1909 in Sidi-Aich (Algerien), kam er 1938 nach Paris und arbeitete dort als Koch und Metallarbeiter.[10] Er wurde 1943 von der Gestapo verhaftet, weil er einen Kriegsgefangenen Zivilkleidung zur Flucht verschafft hatte. Bis Kriegsende musste er in den Junkerwerken in einem Außenlager des KZ Groß-Rosen, Zittau in Sachsen, arbeiten. Dort wurde Ali Bourzam 1945 von der Roten Armee befreit.
„Auf Grund ´rassischer´ Kriterien wie Hautfarbe oder ´artfremdes Blut´ waren Personen muslimischer Religionszugehörigkeit in Deutschland und den besetzten Ländern Diskriminierungen und besonders harter Strafverfolgung (z. B. wegen ´Rasseschande´) oder teilweise auch Sterilisationsmaßnahmen ausgesetzt, als Muslime im Sinne einer politischen Kategorisierung jedoch bzw. als Angehörige befreundeter Staaten genossen sie wiederum besonderen Schutz.“ (Fava 2007).
Mit diesen Worten resümiert Rosa Fava die unterschiedlichen Berührungspunkte von Muslimen mit dem Nationalsozialismus. Wie anhand der angeführten Einzelschicksale, sowie der aufgezeigten Kollaboration, ersichtlich, verfügt der International Tracing Service über umfassende Dokumentenbestände über diese Thematik. Das betrifft Originaldokumente, sowie Kopien aus einer breiten Vielzahl weiterer Archive. Neben den Täter-Dokumenten (zumeist über die Zusammenarbeit mit Personen wie al-Husseini), sind auch eine größere Anzahl von Zeugnissen über die Verfolgung und Diskriminierung von arabischen Muslim_innen vorhanden. Ein Fassen dieser Dokumente in Zahlen ist schwierig und setzt eine äußerst langfristige Recherchetätigkeit voraus, wie sie zum Beispiel Gerhard Höpp in jahrelanger Kleinarbeit erbrachte, der auf immerhin 450 arabische Häftlinge kam (Höpp 2004: S. 246).[11] Erscheinen diese in absoluten Zahlen zwar (vergleichsweise) gering, stellen sie aber eine Summe von Einzelschicksale dar, deren Leiden unermesslich hoch waren. Auch ehemalige Kollaborateure, wie die bosnische „Handschar“-Division, konnten zu Verfolgten des NS-Regimes werden, wobei jedoch nicht ihre eigenen Verbrechen vergessen werden dürfen.
Um mit den im ITS überlieferten Unterlagen eine sinnvolle pädagogische Arbeit gestalten zu können, sollten in der historisch-politischen Bildung beide Seiten der Berührungspunkte verdeutlicht werden, so wie es auch Rosa Fava empfiehlt. Das geschieht nicht, um die Leiden arabisch-muslimischer Opfer des NS-Regimes herunterzuspielen, sondern um eine Dimension der geschichtlichen Arbeit zu öffnen, in der alle Aspekte des umfassenden Themas Platz finden können.
Ali Bourzam, CM/1-Akte, Application for Assistance, 3.2.1.1./78960570, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Ali Bourzam, T/D-Akte 881292, 6.3.3.2./ 107881377, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Arbeitsausweis Amar Gougam, 2.2.2.1./ 72433318, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Auszüge aus Personlakte Eichmann, 1.2.7.1./ 82292189-82292254, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Effektenkarte Amar Gougam, Flossenbürg, 1.1.8.3/10876096, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Formblattlisten, 2.1.1.1./ 70047518, 70126374 und 70052765, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Geldverw.-Karte Amar Gougam, Dachau, 1.1.6.2 / 10074102, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Häftlingspersonalkarte Ben Tahar Mokadem, Mauthausen, 1.1.26.3./ 1637156, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Individuelle Unterlagen Areski Kermiche, 1.1.5.3./ 6260970-8, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Kartei der Verbindungsmission in Berlin, 2.3.3.4/78301967, ITS Digital Archive, Bad Arolsen).
Karteikarte, Kartei der Verbindungsmission in Berlin, 2.3.3.4/78275764, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Lucie Muth T/D-Akte 599309, 6.3.3.2./ 102946077, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Schreiben v. 14.7.1942, 1.1.38.0./ 82152738-39, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Veränderungsmeldungen Ravensbrück,1.35.1. / 3765056, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Zugangsbuch Dachau, 1.1.6.1./ 9894731, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Zugangslisten Mauthausen, 1.1.26.1./ 1321716, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
Alff, Wilhelm, Die republikanischen Flüchtlinge („Rotspanier“), in: Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte, Bd.2, Stuttgart 1966, S. 264-291.
Bauknecht, Bernd,Muslime in Deutschland von 1920 bis 1945 (Religionswissenschaften Bd. 3), Köln 200.
Brown-Fleming, Suzanne, Nazi persecution and postwar repercussions. The International Tracing Service Archive and Holocaust Research, Lanham 2016.
Fava, Rosa, Thema mit politischer Brisanz: "Waren eigentlich auch Muslime im KZ?" Die Thematisierung spezieller Opfergruppen am Beispiel der Häftlinge aus der muslimischen SS-Einheit "Handschar" in Neuengamme, in: shoah.org am 15.02.2007, http://www.schoah.org/kz/muslime.htm (letzter Aufruf am 06.09.2016).
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Endnoten
[1] So ruht der Fokus oftmals auf Personen wie dem Mufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, oder dem irakischem Politiker Raschid Ali al-Gailani. Dafür wird von einigen Forscher_innen, wie René Wildangel, die Politisierung des Themas verantwortlich gemacht (2015: S. 103-106). Die politische Brisanz des Themas lässt sich gut an den Reaktionen zu einer kontroversen Aussage des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erkennen. Netanjahu führte, unter anderem, den entscheidenden Impuls zur Vernichtung der europäischen Juden auf Zureden des Muftis Amin al-Husseinis zurück, was im internationalen Kontext deutliche Ablehnung hervorrief. Vgl. Ronen Steinke, Art. „Netanjahus Großmufti –Theorie“, in: Süddeutsche Zeitung vom 21.10.2015, http://www.sueddeutsche.de/politik/judenvernichtung-im-zweiten-weltkrieg... (letzter Aufruf am 11.05.2017).
[2] So wäre zum Beispiel Khaled Abdul Wahab zu nennen, der im besetzten Tunesien dutzende Menschen jüdischen Glaubens vor der Deportation und dem sicheren Tod bewahrte. Vgl. dazu Eva Weisel, Honoring All Who Saved Jews, in: The New York Times vom 27.12.2011 http://www.nytimes.com/2011/12/28/opinion/honoring-all-who-saved-jews.html (letzter Aufruf am 11.05.2017).
[3] Bei der Division „Handschar“ ist zu beachten, dass es sich trotz des Namens (Handschar bezeichnet eine traditionelle arabische Klingenwaffe) nicht um Araber, sondern Bosniaken handelte. Ihre Bereitschaft zur Rekrutierung lag zu einem Teil an den ethnisch-religiösen Konflikten im damaligen Königreich Jugoslawien, die auch direkt den Aufstand bedingten. Sie wurden nämlich zuerst, entgegen ihrer Erwartungen, nicht in Jugoslawien stationiert, sondern nach Frankreich verlegt. Nach der Meuterei wurden einige von ihnen in das KZ Neuengamme deportiert. Vgl. Fava 2007.
[4] Vgl. Auszüge aus Personlakte Eichmann, 1.2.7.1./ 82292189-82292254, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
[5] Vgl. Schreiben v. 14.7.1942, 1.1.38.0./ 82152738-39, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
[6] Vgl. Veränderungsmeldungen Ravensbrück, 1.35.1. / 3765056, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Lucie Muth T/D-Akte 599309, 6.3.3.2. / 102946077, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
[7] Vgl. Zugangsbuch Dachau, 1.1.6.1 / 9894731, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Geldverw.-Karte Amar Gougam, Dachau,, 1.1.6.2 / 10074102, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Effektenkarte Amar Gougam, Flossenbürg, 1.1.8.3/10876096, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Arbeitsausweis Amar Gougam, 2.2.2.1./ 72433318, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Formblattlisten, 2.1.1.1./ 70047518, 70126374 und 70052765, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Karteikarte, Kartei der Verbindungsmission in Berlin, 2.3.3.4/78275764, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
[8] Vgl. Zugangslisten Mauthausen, 1.1.26.1./ 1321716, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Häftlingspersonalkarte Ben Tahar Mokadem, Mauthausen, 1.1.26.3./ 1637156, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Individuelle Unterlagen Areski Kermiche, 1.1.5.3./ 6260970-8, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
[9] Gerhard Höpp erwähnt, dass Karmiche den Krieg überlebt habe (vgl. Höpp 2004: S. 247). Sein weiteres Schicksal lässt sich jedoch, anhand der Unterlagen des ITS, nicht näher bestimmen; so vermerkte auch die französische Verbindungsmission in Berlin nach dem Krieg nur die Deportation von Areski Kermiche (Vgl. Kartei der Verbindungsmission in Berlin, 2.3.3.4/78301967, ITS Digital Archive, Bad Arolsen). Grund hierfür könnte der Umstand sein, dass Höpp mit einer Vielzahl von Staats- und Landesarchiven arbeitete, jedoch nicht mit den Unterlagen des ITS.
[10] Ali Bourzam, CM/1-Akte, Application for Assistance, 3.2.1.1./ 78960570, ITS Digital Archive, Bad Arolsen; Ali Bourzam, T/D-Akte, 881292, 6.3.3.2./ 107881377, ITS Digital Archive, Bad Arolsen.
[11] Dies, wie bereits erwähnt, jedoch nicht auf den Dokumentenbestand des ITS erweitern konnte.