Beitrags-Autor: Ingolf Seidel Sie müssen angemeldet sein, um das Benutzerprofil zu sehen |
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Der Maschinist Heinrich Rabuse, geboren um 1906, kam im Januar 1937 nach Spanien und wurde der XIII. Internationalen Brigade als Tankist zugeteilt. Im August 1937 hielt er sich in der Base in Albacete auf. (vgl. Eintrag S. 396)
Die Schriftstellerin Maria Osten (geborene Greßhöner), die seit 1927 Mitglied der KPD war und die unter anderem als Lektorin des Malik-Verlags, als Kinderbuchautorin und Redakteurin der Deutschen Zentralzeitung (DDZ) in Moskau arbeitete. Als Sonderkorrespondentin der DDZ verfasste sie zwölf Reportagen über den Spanienkrieg. Ebenso wie Ernst Busch, mit dem sie eine Zeitlang liiert war, wurde sie vom KPD-Nachrichtendienst überwacht und war bereits Jahre zuvor des Trotzkismus’ verdächtigt worden. Ihre internationalen Aktivitäten und Hilfestellungen für bekannte Größen aus Politik und Kultur wurden pervertiert in der Anklage „Spionage für deutsche und französische Geheimdienste“. Von der KPD bereits seit 1939 fallengelassen, wurde Maria Osten am 8. August 1942 erschossen. (vgl. Eintrag S. 374 f.)
Der Seemann Walter Wittfoht trennte sich auf dem Weg von einer Gruppe Freiwilliger für die Interbrigaden, gelangte dann aber Ende 1936 über ein anarchosyndikalistisches Komitee zur Durruti-Kolonne. Er gehörte zur Internationalen Transportarbeiter Föderation, Gruppe „Aragón-Front“, verließ dann aber Anfang April 1937 wegen persönlicher Differenzen die Front. (vgl. Eintrag S. 551)
Dies sind drei Beispiele für Biographien, die in dem soeben erschienenen biographischen Lexikon der deutschen Spanienkämpfer/innen verzeichnet sind. Sie weisen auf Verschiedenes hin:
Erstens fallen die Einträge in Länge und Inhalt sehr unterschiedlich aus. So umfasst der Artikel zur bekannten Maria Osten fast drei komplette Spalten, wohingegen der zu Wittfoht und Rabuse tatsächlich nur diese Information enthält. Es ist positiv hervorzuheben, dass auch Personen Eingang in das Lexikon gefunden haben, für die sich vielleicht erst in der Zukunft noch Näheres ermitteln lässt.
Zweitens ist es verdienstvoll, dass nicht nur Waffenträger/innen, sondern auch Schriftsteller/innen, Ärzt/innen, Krankenschwestern, Reporter/innen, etc., aufgenommen wurden. Auch werden, soweit ermittelt werden konnte, die Einheiten genannt, denen die Genannten angehörten, ihre Dienstgrade und Funktionen sowie ihre Mitgliedschaften in spanischen Parteien.
Die insgesamt über 3.500 biographischen Einträge umfassen nicht nur die große Gruppe derjenigen, die mehrheitlich dem Aufruf der Kommunistischen Internationale und der kommunistischen Parteien gefolgt waren und sich in Internationalen Brigaden zusammenschlossen. Selbstverständlich werden auch diejenigen, die sich auf eigene Faust nach Spanien aufgemacht hatten, porträtiert und damit individuelle Beweggründe, sich schon früh gegen Faschismus und drohenden Zweiten Weltkrieg zu engagieren aufgezeigt. Dass darunter mindestens 500 jüdische Männer und Frauen aus Deutschland waren, spiegelt sich in dem Lexikon leider nicht ausreichend wieder. Zwar wurde in einigen Fällen, wie etwa bei Max und Golda Friedemann, die die erste Thälmann-Brigade, eine mehrheitlich jüdische Kampftruppe mitbegründeten, die jüdische Herkunft erwähnt. In anderen Fällen jedoch, wie beispielsweise bei fünf Einträgen unter dem Namen Lewin/Lewy deuten nicht nur der Name, sondern auch die Tatsache ihrer frühen Emigration an, dass es sich um Juden und Jüdinnen handelt; ein dezidierter Hinweis darauf fehlt leider.
Berücksichtigung fand schließlich auch eine dritte Gruppe von Männern und Frauen, die „aus sozialen Gründen eine Alternative suchten, aber auch solche, die entwurzelt waren und sicher auch das Abenteuer erhofften“ (S. 5). Sowohl diese als auch die zuvor genannte Gruppe verdiene, so die Autoren, eine objektive Darstellung, zumal sie kampfstarke militärische Einheiten bildeten – und dies, obwohl sie in ihrem bürgerlichen Leben dem Militär eher skeptisch bis ablehnend gegenüber gestanden hätten (S. 6).
Schließlich, so die weiteren Erläuterungen, müsse aber auch über diejenigen gesprochen werden, denen weniger die Republik als vielmehr die soziale Revolution am Herzen gelegen habe und die in der Erinnerung bislang eine marginale Rolle spielten: „Linkssozialisten, oppositionelle Kommunisten und vor allem Libertäre“, die eine Revolution zu unterstützen suchten, „die sich in der Vergesellschaftung von Unternehmen, Kollektivierungen und der Etablierung räteähnlicher Strukturen manifestierte“ (S. 6).
Mit dieser Vielfalt unter den Beteiligten (sowie der Vermeidung ideologisch aufgeladener Begrifflichkeiten) erklärt sich auch der etwas sperrige Titel dieses Lexikons, „Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution“.
Es fehlen selbstverständlich Informationen und Biographien, die Autoren sind sich dessen bewusst und fordern dazu auf, ihnen Ergänzungen zuzusenden. Bereits seit Veröffentlichung des Lexikons vor einigen Wochen seien, so die Autoren bei einer Buchpräsentation, bereits etliche Namen dazu gekommen.
Die Offenheit für die verschiedenen Gruppierungen und Individualisten führt freilich dazu, dass eine Grenzziehung, wer Aufnahme findet und wer nicht, am Ende doch eine subjektive Entscheidung ist. So hätte beispielsweise durchaus Einiges dafür gesprochen, auch Pavel und Clara Thalmann aufzunehmen, die zwar gebürtige Schweizer sind, jedoch auf ihrem politischen Weg sehr viele Berührungen mit deutschen Genoss/innen hatten (vgl. die Aufnahmekriterien S. 8).
Das größte Fragezeichen jedoch möchte ich dahinter setzen, dass in diesem Lexikon bislang nur um die 130 deutsche Frauen im Spanischen Bürgerkrieg waren. Ich bin davon überzeugt, dass es weitaus mehr waren und es, wie immer bei der Spurensuche nach Frauen in der Geschichte, eben einiger Umwege und ausgemachter Erfahrungen zur Spurensuche von Frauengeschichte bedarf, sie aufzuspüren. Hoffentlich wird in dem zweiten geplanten Band mit einem gesonderten Text auf die Beteiligung von Frauen gründlicher eingegangen.
Dennoch: Die Autoren Abelt und Hilbert recherchierten in unzähligen Archiven, Privatbesitzen, in der wissenschaftlichen und biographischen Literatur, sie erhielten Zuarbeit von Historiker/innen sowie von zahlreichen Spanienkämpfern und -kämpferinnen selbst. So viele Namen und Details zusammengetragen und in eine Form gebracht zu haben, ist uneingeschränkt anerkennenswert. Liest man die biographischen Angaben, so wird deutlich, dass sie auch keine Mühen gescheut haben, Informationen gegebenenfalls von ideologischen Untertönen zu befreien, um eine Darstellung der erinnerungswürdigen Männer und Frauen zu ermöglichen, die unabhängig von politischen Vereinnahmungen bestehen kann.
Dass die Spanienkämpfer/innen „von Anfang an zur antifaschistischen Erinnerungskultur der DDR“ (vgl. S. 6) zählten, mag zutreffen und im Vergleich zur Ignoranz, ja Verfolgungssituation in der alten BRD eine verständliche Äußerung sein. Doch wurde zu DDR-Zeiten, sieht man von der Edition „Brigada Internacional“, die episodische Erinnerungen von immerhin 200 Spanienkämpfern/innen veröffentlichte, und einigen wenigen Erinnerungen ab, auf offizieller politischer Seite auch nicht übermäßig viel Rühmliches getan für die Erinnerung an die Kämpferinnen und Kämpfer. Selbst Personen wie der Sänger Ernst Busch, der einige der berühmtesten Spanienlieder noch während der Zeit der Kämpfe in Spanien aufgenommen hatte, fiel bei der DDR-Führung immer mehr in Ungnade, so dass beispielsweise in den 1980er-Jahren eine Radiosendung über ihn bereits nicht mehr ausgestrahlt werden durfte. Außer Zweifel steht jedoch auch, dass in der heutigen BRD eine angemessene Würdigung der Männer und Frauen noch immer auf sich warten lässt.
„Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution“ stellt den ersten von insgesamt zwei geplanten Bänden dar. Außer den Biographien wollen die Autoren in einem zweiten Band fotografisches Material sowie Texte zu den zum Teil kontrovers agierenden Organisationen und Gruppen veröffentlichen; die aufbrechenden Differenzen reichten bis zu Repressionen und bewaffneten Auseinandersetzungen (vgl. S. 6). „Damit soll deutlich werden“, so die Autoren, „dass sich das biographische Lexikon und der genannte zweite Band auch als Beitrag zur Geschichtsschreibung über das deutsche antifaschistische Exil verstehen“ (S. 8).
Unbedingt empfehlenswert für den zweiten Band – oder notfalls auch online – wäre ein Verzeichnis der Geburts- und Wohnorte. Denn so böte sich die Chance, in der historisch-politischen Bildungsarbeit mit regionalgeschichtlichen Bezügen zu arbeiten.
Das Lexikon ist ein großartiges Projekt, das beide Autoren mithilfe des Vereins „Kämpfer und Freunde der spanischen Republik e.V.“ sowie zahlreicher weiterer Unterstützer/innen in jahrelanger Kleinarbeit auf den Weg gebracht haben. Für die historisch-politische Bildungsarbeit stellt es jetzt schon ein unverzichtbares Instrumentarium dar, und mit Spannung darf der zweite Band erwartet werden, der dann auch noch Bildmaterial und Hintergrundtexte liefern wird.