In der internationalen Jugendarbeit, so wie auf vielen anderen Feldern gesellschaftlicher Partizipation und Inanspruchnahme staatlicher Leistungen und Angebote, sind Jugendliche mit Migrationshintergrund oft unterrepräsentiert. Wieso das so ist und welche Schritte auf struktureller, pädagogischer und politischer Ebene nötig sind, um dies zu verändern, damit hat sich das Projekt InterKulturell on Tour befasst, das zwischen 2007 und 2009 durchgeführt wurde. Finanziert wurde das Projekt maßgeblich vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und durch das EU-Programm Jugend in Aktion. Ziel des Projektes war es, im Kontext der internationalen Jugendarbeit theoretische und anwendungsorientierte Zugänge zu schaffen, die es den verschiedenen bestehenden Bildungsträgern ermöglichen, gezielt Jugendliche mit Migrationshintergrund in ihre Arbeit einzubinden. Dabei widmete sich die wissenschaftliche Begleitung des Projektes auch den Ursachen und Kernelementen der verschiedenen individuellen Schwierigkeiten und strukturellen Barrieren, denen sich Jugendliche und Erwachsene mit Migrationshintergrund in Deutschland gegenübergestellt sehen. Betrachtet man diese wird schnell deutlich, dass die Integration – von der Dominanzgesellschaft oft als zwangsläufige und unbedingte Voraussetzung für ein tolerierbares Zusammenleben verstanden – nur als wechselwirkender Prozess gelingen kann. Neben der Bereitschaft zum gegenseitigen Austausch gehört dazu auch die Ermöglichung einer aktiven und uneingeschränkten Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und sozialen Leben für alle Mitglieder der Gesellschaft. Denn nur durch individuelle und selbstbestimmte Partizipation können gesellschaftliche Interaktionen angeregt, Barrieren und Vorurteile abgebaut und individuelle Identifikationszugänge für alle Beteiligten geschaffen werden. Dazu gehört allerdings auch, den Begriff des „Interkulturellen“ an sich kritisch zu hinterfragen.
Eine Möglichkeit, Jugendliche mit Migrationshintergrund zur gesellschaftlichen Partizipation zu ermuntern und bestehende Zugangsbarrieren abzubauen, sehen die Projektinitiator/innen des Projektes InterKulturell on Tour in der internationalen Jugendarbeit. Gerade internationale Jugendbegegnungen, die aufgrund von transkulturellen Lernprozessen und interdisziplinären Methoden ein hohes Bildungspotential für alle beteiligten Jugendlichen aufweisen, können als Chance dienen, um bisher verschlossene Türen zu öffnen und neue Zugänge zu schaffen. Die Initiator/innen von InterKulturell on Tour haben zu diesem Zweck einen Leitfaden entwickelt, der im Jahr 2010 im Wochenschau Verlag erschienen ist und Interessierten die Möglichkeit bietet, neue Konzepte mit interkulturellem Anspruch zu entwickeln oder bestehende Programme und Projekte an neue Heraus- und Anforderungen anzupassen. Mithilfe des Leitfadens soll zum einen die Öffnung bestehender, zum Großteil aus der Dominanzkultur heraus agierenden Jugendverbände- und ringe ermöglicht werden. Zum anderen soll durch das Aufzeigen von Kooperations- und Interaktionsmöglichkeiten die Zusammenarbeit von Letzteren mit den verschiedenen, in Deutschland tätigen Migrantenjugend(selbst)organisationen angeregt werden. Diese haben sich insbesondere in den letzten Jahren in großer Zahl in allen Regionen der Bundesrepublik gegründet. Die Organisationen, die teilweise als Jugendabteilung an bestehende Erwachsenenverbände angeschlossen sind und zum Teil als distinkte Jugendzusammenschlüsse agieren, verstehen sich als selbständige und unabhängige Vereinigungen von jungen Menschen, die sich auf unterschiedliche – selbstbezeichnende oder zugeschriebene – Weise mit dem Begriff migrantisch identifizieren und kritisch auseinandersetzen und sich bezugnehmend auf ihre eigene Rolle in der Gesellschaft positionieren. Der Leitfaden enthält neben einer Auflistung der verschiedenen Organisationen – sowohl der institutionellen Jugendverbände als auch der Migrantenjugend(selbst)organisationen – auch methodische Anregungen, Darstellungen verschiedener Modellmaßnahmen, Erfahrungsberichte und wissenschaftliche Evaluationen durchgeführter Projekte und hilfreiche Tipps für jene, die neue Projekte initiieren, organisieren und durchführen möchten. Ausführliche Erläuterungen, Checklisten und thematische Exkurse ermöglichen dabei eine überaus handlungsorientierte Anwendung des Leitfadens und Erleichtern den Zugang zu dem Thema und die Entwicklung eigener Ideen und Ansätze. Ein angefügtes Glossar und eine ausführliche Liste mit weiterführender Literatur bieten eine zusätzliche Orientierungshilfe.
Ansgar Drücker, Yasmine Chehata, Birgit Jagusch, Katrin Riß, Ahmet Sinoplu (Hrsg.): Leitfaden. InterKulturell on Tour. Internationale Jugendbegegnungen – Schauplatz neuer Kooperationen zwischen Migrantenjugend(selbst)organisationen und Internationaler Jugendarbeit. Wochenschau Verlag, Schwalbach 2010. 366 Seiten.