
Seit 2019 ist der Internationale Frauentag am 8. März in Berlin ein arbeitsfreier Feiertag. Die Initiative dafür kam vom Netzwerk Frauen in Neukölln. „Berlin braucht mehr Feiertage! Deutschland braucht mehr Gleichberechtigung!“, lautete die Begründung.
Für gleiche Rechte kämpfen Frauen* seit 1911 am Internationalen Frauentag. Ins Leben rief ihn die Sozialistische Fraueninternationale als Kampagne für das Wahlrecht der Frauen. Weil sie dafür in ihren Ländern nicht genügend Unterstützung bekamen, verfolgten sie ihre gemeinsamen Ziele grenzübergreifend (Gélieu 2019).
Die Debatte über einen neuen Feiertag begann in Berlin mit dem Reformationstag 2017, der nur anlässlich dieses 500-jährigen Jubiläums arbeitsfrei war. Danach gab es die Forderung, den 31. Oktober wie in einigen anderen Bundesländern in Zukunft auch in Berlin als gesetzlichen Feiertag zu begehen. Da die Stadt zu den Bundesländern mit den wenigsten arbeitsfreien Feiertagen gehört, sprach sich auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller dafür aus. Aber das musste seiner Ansicht nach nicht unbedingt der Reformationstag sein. „Die Frage ist nicht so sehr, ob wir einen solchen Feiertag bekommen, sondern eher welchen“, erklärte er am 20.4.2018 im Berliner Tagesspiegel.
Eine Petition für den 8. März als Feiertag hatte es schon kurz zuvor in Niedersachsen gegeben. Angeregt vom Zentrum für Frauen-Geschichte in Oldenburg hatte die Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauen- und Gleichstellungsbüros sie gestartet. Doch dort entschied sich 2018 der Landtag für den Reformationstag.
In Berlin schlug die Neuköllner Gleichstellungsbeauftragte Sylvia Edler vor, sich mit einem offenen Brief ans Abgeordnetenhaus für den 8. März als neuen Feiertag einzusetzen. Im Netzwerk Frauen in Neukölln wurde der Vorschlag begeistert aufgenommen. Als Neuköllner Vertreterin für Frauentouren im Netzwerk war ich selbst an der Diskussion und den Aktionen des Netzwerks für den 8. März-Feiertag beteiligt. Es war vor allem die Internationalität des 8. März, warum der Vorschlag, ihn zum Feiertag zu machen, die Netzwerk-Frauen begeisterte. Unter den circa siebzig Frauenprojekten, Vertreterinnen* aus Institutionen, Freiberuflerinnen* und engagierten Einzelfrauen* des Netzwerks sind die Angebote von und für Migrantinnen* besonders zahlreich (frauen-in-neukoelln.de). Viele Migrantinnen* kennen den Internationalen Frauentag aus ihren Herkunftsländern und -kulturen. Ihre Einrichtungen und Organisationen machen am 8. März Veranstaltungen oder feiern zusammen. Und an den Berliner Frauen*tags-Demonstrationen nehmen sie mit eigenen großen Frauen*blöcken teil. Dementsprechend hob das Netzwerk in seinem offenen Brief hervor: „Der internationale Charakter des 8. März als Feiertag ist einer Stadt angemessen, in der viele verschiedene Nationalitäten zusammenleben“. Er „ist ein Feiertag für alle Berliner*innen unabhängig von ihrer Religion und Herkunft.“ Erinnert wurde auch daran, dass die Vereinten Nationen den 8. März 1977 als Weltfrauentag anerkannt haben (Netzwerk Frauen in Neukölln 2018).

Karte des Netzwerks Frauen in Neukölln, Vorder- und Rückseite, Archiv: Claudia von Gélieu
Das Netzwerk wollte mit dem Feiertag jährlich an den Auftrag der Berliner Landesverfassung erinnern, „die ‚Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens herzustellen und zu sichern‘. (Artikel 10 Absatz 3)“ (Netzwerk Frauen in Neukölln 2018). Sie verwiesen auch auf die Einführung des 8. März als Kampftag für das Frauenwahlrecht und forderten, den Feiertag unbedingt bis 2019 umzusetzen: „1919 durften Frauen* in Deutschland zum ersten Mal zu den Parlamenten wählen und kandidieren. […] 100 Jahre danach sollte der Internationale Frauen*-Feier-Tag in Berlin am 8. März 2019 zum ersten Mal begangen werden.“ (Netzwerk Frauen in Neukölln 2018).
Der offene Brief der Neuköllnerinnen* fand Unterstützung bei vielen anderen Frauen*zusammenschlüssen wie zum Beispiel der Landesarbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten der Berliner Bezirke, dem Netzwerk behinderter Frauen und Terres des Femmes. Auch der AWO Landesverband Berlin und der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin schlossen sich an. Nicht mitgetragen wurde die Initiative der Neuköllnerinnen* von Frauen*gruppen, die Feier- und Kampftag für unvereinbar hielten: Ein arbeitsfreier 8. März mache Frauen*streiks und Versammlungen und Veranstaltungen am Arbeitsplatz undurchführbar. Doch zumindest unbezahlte private Care-Arbeit lässt sich auch an einem Feiertag bestreiken. Und betriebliche Aktionen fanden schon immer am Tag davor oder danach statt, wenn der 8. März auf das Wochenende fiel.
Wenige Tage nach dem Netzwerk Frauen in Neukölln startete die SPD-Abgeordnete Iris Spranger eine Online-Petition „Frauentag zum Feiertag“. Auch sie argumentierte für ihn als Tag der Mahnung, aber auch der Anerkennung: „Gesellschaftlicher Dank für die großen Verdienste, welche die Frauen alltäglich für das Allgemeinwohl leisten. Und gesellschaftliche Mahnung, dass wir niemals nachlassen dürfen und immer weiter für die Gleichberechtigung der Frauen kämpfen müssen!“ (Spranger 2018). Während Spranger digital Unterschriften sammelte, tat das Neuköllner Frauen-Netzwerk dies analog auf Karten. Übergeben wurden diese Karten im Berliner Abgeordnetenhaus am 13. Dezember 2018 zur ersten Lesung des Antrags der damaligen Regierungsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, den Frauentag 8. März als neuen gesetzlichen Feiertag einzuführen.

Vertreterinnen des Netzwerks Frauen in Neukölln übergeben am 13.12.2018 im Berliner Abgeordnetenhaus Unterschriften für den 8. März als Feiertag an die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Derya Caglar (Mitte), © Stella Schwendner / Archiv: Claudia von Gélieu
In der Abgeordnetenhaus-Debatte begründete die Abgeordnete Katrin Vogel die Ablehnung des Frauen*-Feiertags ihrer CDU-Fraktion autobiografisch. Sie erinnerte an ihre DDR-Erfahrungen mit dem 8. März: „Für mich verbindet sich damit alles andere als Gleichstellung, sondern eher Ruhigstellung. […] Es gab für alle Frauen Blümchen, Kaffee und Kuchen und zum Feierabend dann noch Sekt.“ (Berliner Abgeordnetenhaus, 7.3.2019: 4436). Für Anja Kofbinger, damals frauenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, eröffnete der Feiertag dagegen die Möglichkeit, dass „wir, weil wir alle frei haben, auch so wunderbar zur 8. März-Demonstration gehen“ können (Berliner Abgeordnetenhaus, 24.1.2019: 4232).
Am 24. Januar 2019 beschloss das Abgeordnetenhaus gegen die Stimmen von CDU, AfD und FDP den 8. März als gesetzlichen Feiertag (Berliner Abgeordnetenhaus, 24.1.2019: 4300f). Auch bei der Umsetzung beeilte sich die Rot-Rot-Grüne Regierung, sodass schon der 8. März 2019 arbeitsfrei war. Denn ein Jahr später, 2020, fiel dieser Tag sowieso auf einen Sonntag. 2023 folgte mit Mecklenburg-Vorpommern ein weiteres Bundesland dem Berliner Beispiel. Schon zuvor war der 8. März arbeitsfreier Feiertag in 26 Staaten – von A wie Angola bis Z wie Zypern.
In Berlin hat der Feiertag die zahlreichen, vielfältigen Aktionen zum Internationalen Frauentag nicht verändert – nach wie vor beteiligen sich Zehntausende an den Demonstrationen am 8. März. Die Mobilisierung bleibt abhängig von der Breite der jeweiligen Bündnisse und der konkreten Dringlichkeit, für Frauen*anliegen auf die Straße zu gehen. Der neue Feiertag hat jedoch die allgemeine Wahrnehmung des Internationalen Frauentages gestärkt. Viele nehmen ihn erstmals bewusst wahr, weil sie frei haben und die Geschäfte geschlossen sind. Für die Medien ist er Anlass, über den Tag und Frauen*anliegen zu berichten.
Und manchen bleibt er ein Dorn im Auge. Als die Unternehmerverbände Berlin und Brandenburg Anfang 2025 die Abschaffung eines Feiertages forderten, schlugen sie explizit den 8. März vor. Für die Berliner ver.di-Vorsitzende Andrea Kühnemann war dies „wohl eher ein Altherrenwitz als ein ernst gemeinter wirtschaftspolitischer Vorschlag“. Und die taz-Redakteurin Marie Frank kommentierte, dass es das Patriarchat sei, das wir uns nicht mehr leisten können: „Männer in Machtpositionen […] kosten uns ebenfalls viel Geld: Sei es durch ihre überzogenen Boni, Steuerhinterziehungen oder wirtschaftskriminelle Machenschaften“ (Frank 2025).
Berliner Abgeordnetenhaus: Plenarprotokoll vom 24.1.2019, in: Abgeordnetenhaus Berlin, URL: https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/protokoll/plen18-036-pp.pdf [eingesehen am 2.7.2025].
Berliner Abgeordnetenhaus: Plenarprotokoll vom 7.3.2019, in: Abgeordnetenhaus Berlin, URL: https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/protokoll/plen18-038-pp.pdf [eingesehen am 2.7.2025].
Frank, Marie: Lasst uns Männer mit Macht abschaffen – nicht den Frauentag, in: taz, 8.1.2025, URL: https://taz.de/Debatte-um-Feiertag-am-8-Maerz/!6057283/ [eingesehen am 1.7.2025].
Gélieu, Claudia von: „Dieser Tag gehört den Frauen“. Internationaler Frauentag am 8. März. Feier- und Kampftag in Berlin, Berlin 2019.
Netzwerk Frauen in Neukölln: Offener Brief Berliner Feiertag 8. März „Internationaler Frauentag“, in: Netzwerk Frauen in Neukölln, 02.11.2018, URL: https://frauen-in-neukoelln.de/der-8-maerz-wird-feiertag-in-berlin/ [eingesehen am 30.6.2025].
Spranger, Iris: Petition: Frauentag zum Feiertag! Berlin 2018, in: Iris Spranger, 05.06.2018, URL: https://www.iris-spranger.de/archives/3899 [eingesehen am 1.7.2025].