Die Bundesregierung strebt einen Wehrdienst nach dem schwedischen Modell an (Koalitionsvertrag 2025: 130). Dieses sieht eine Wehrpflicht für Frauen und Männer vor, wobei jährlich nur so viele einberufen werden, wie von den Streitkräften tatsächlich benötigt und eingesetzt werden können. Bislang reicht es aus, den Bedarf ausschließlich mit Freiwilligen zu decken (Zeit Online, 14.04.2025).
In Deutschland bestand die Wehrpflicht ausschließlich für Männer. Sie wurde 2011 zwar ausgesetzt, aber nicht abgeschafft, könnte also vergleichsweise einfach wieder in Kraft gesetzt werden. Um hingegen eine Wehrpflicht für Frauen einzuführen, bedarf es einer Änderung des Grundgesetzes. Denn derzeit erlaubt dieses den Einsatz von Frauen nur im Verteidigungsfall und auch nur zu Aufgaben im Sanitäts- und Heilwesen. Eine Verpflichtung zum Dienst an der Waffe ist laut Grundgesetz für Frauen ausgeschlossen. Ob es zu einer entsprechenden Verfassungsänderung kommt, ist bislang offen.
Gerade vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, zwei Fragen näher zu betrachten: Zum einen, wie sich die Rolle von Frauen seit der Gründung der Bundeswehr entwickelt hat und wie ihre Situation heute aussieht. Zum anderen, wie die Lage von Frauen in anderen Streitkräften gestaltet ist – insbesondere in solchen Ländern, in denen Frauen in größerem Umfang am Militärdienst beteiligt sind oder sogar einer Wehrpflicht unterliegen.
In den ersten Jahren nach der Gründung der Bundeswehr 1955 waren Frauen von sämtlichen militärischen Dienstposten ausgeschlossen und konnten lediglich in zivilen Bereichen tätig sein. Uniformierte und bewaffnete Frauen widersprachen schlicht der Rolle der Frau als Mutter und Ehefrau.
Im Internationalen Jahr der Frau 1975 beschloss die damalige Bundesregierung, ein sichtbares Zeichen zu setzen: Ärztinnen, Zahnärztinnen, Tierärztinnen und Apothekerinnen sollten fortan nicht mehr allein als zivile Kräfte, sondern als Sanitätsoffizierinnen in der Bundeswehr eingestellt werden können. Zur Selbstverteidigung erhielten sie auch eine Ausbildung an der Waffe. Ab 1988 standen Frauen weitere Laufbahnen im Sanitäts- und im Militärmusikdienst offen. Doch nach wie vor durften sie – wie es die Rechtswissenschaftlerin Kathrin Groh unlängst (Groh 2025) ausdrückte – „quasi nur mit Verbandszeug unterwegs sein“. An den tradierten Geschlechterstereotypen vom kämpfenden Mann und der friedfertigen Frau wurde nicht gerüttelt.
Die entscheidende Wende kam im Jahr 2001. Ausgangspunkt war der Fall von Tanja Kreil. Sie bewarb sich als Waffenelektronikerin, wurde aber nach Artikel 12a des Grundgesetzes, laut dem Frauen keinen Dienst an der Waffe leisten durften, abgelehnt. Tanja Kreil klagte sich durch alle Instanzen und reichte schließlich Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof ein. Das Gericht entschied zu ihren Gunsten und gegen die Bundesrepublik Deutschland. In der Folge wurde im Jahr 2000 das Grundgesetz geändert. Seit Januar 2001 dürfen Frauen in allen Bereichen und Truppengattungen Militärdienst leisten. Eine Verpflichtung zum Dienst an der Waffe besteht für sie hingegen weiterhin nicht.
Für die Bundeswehr bedeutet diese Öffnung, dass sie seither auf ein deutlich breiteres Personalspektrum zurückgreifen kann. Gleichzeitig veränderte sich die Institution selbst: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf rückte stärker in den Fokus. Auch unterschiedliche sexuelle Orientierungen stellen nun kein Hindernis mehr für eine Karriere in der Bundeswehr dar. Zudem bekannten sich nun auch die ersten Transpersonen zu ihrer sexuellen Identität.
Die Bundeswehr kann durch die Öffnung für Frauen auch ihren internationalen Verpflichtungen besser nachkommen. So fordert etwa die Resolution 1325 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, dass die besondere Betroffenheit von Frauen in Kriegen und bewaffneten Konflikten – auch und vor allem in Bezug auf sexualisierte Gewalt – stärker berücksichtigt werde. Um dem gerecht zu werden, sollen Angehörige von Friedensmissionen in Genderfragen geschult und der Anteil von Frauen in diesen Einsätzen erhöht werden (Naraghi Anderlini 2008).
Trotz aller Öffnung bleibt der Frauenanteil in der Bundeswehr nach wie vor niedrig: Insgesamt liegt er bei rund 13 % (ohne den Sanitätsdienst sogar nur bei etwa 9 %). Das bedeutet für Frauen, dass sie in einer Kaserne besonders sichtbar sind. Ihr Verhalten steht unter ständiger Beobachtung und Bewertung. Sie sehen sich häufig mit Geschlechterstereotypen konfrontiert und müssen sich immer wieder fragen, welche Rolle sie als Frau in der Bundeswehr einnehmen. Das schlägt sich auch in Befragungen von Armeeangehörigen nieder: Diese zeigen, dass viele (männliche) Armeeangehörige trotz zahlreicher Gleichstellungsbemühungen weiterhin erhebliche Vorbehalte gegenüber Frauen im Militär haben (Kümmel 2014).
Eine besonders stark diskutierte Frage ist, ob Frauen dem Wehrdienst physisch gewachsen sind. Untersuchungen aus verschiedenen Ländern – insbesondere den USA, Israel und Deutschland – zeigen jedoch, dass die Unterschiede innerhalb der Geschlechtergruppen, also unter Frauen wie unter Männern, erheblicher sind. Beide Geschlechter profitieren gleichermaßen von gezieltem Training. Die allgemeinen Fitness-Tests werden in den meisten Armeen – ähnlich wie im organisierten Sport – geschlechts- und altersabhängig angepasst. Davon zu unterscheiden sind die jeweils konkreten physischen, psychischen und intellektuellen Anforderungen, die mit bestimmten Positionen und Aufgaben verbunden sind – Anforderungen, die unabhängig vom Geschlecht erfüllt werden müssen (Apelt/Dittmer 2008).
Die auf Männer beschränkte Wehrpflicht hat viel zum Stereotyp vom kämpfenden Mann und der friedfertigen Frau beigetragen. Daraus lässt sich jedoch nicht automatisch schließen, dass eine Wehrpflicht für Frauen die Gleichstellung der Geschlechter voranbringen würde. Ein Blick nach Israel macht dies deutlich: Bereits kurz nach der Gründung der israelischen Streitkräfte wurde die Wehrpflicht auch auf Frauen ausgeweitet. Sie ist allerdings kürzer als die der Männer (zwei Jahre für Frauen, zwei Jahre und acht Monate für Männer) und Frauen können sich leichter davon befreien lassen. Nach dem israelischen Gesetz sind Frauen Männern gleichgestellt, aber um die reale Gleichstellung müssen sie immer noch kämpfen (Lomsky-Feder/Sasson-Levy 2018).
Schweden wiederum gilt als Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung in Europa – auch im Militär. So stieß auch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für Männer und Frauen im Jahr 2017 auf breite Zustimmung im Land. Der Anteil von Frauen an den Streitkräften liegt hier bei rund 20 % (Prange de Oliveira 2025). Und auffällig hoch ist der Anteil von Frauen unter den Kämpfenden vor allem in Situationen, in denen ein Land sich gegen äußere Aggression verteidigt. So dienen in den ukrainischen Streitkräften ca. 60.000 Frauen (Barz 2024). Ähnliches zeigt sich in Ländern, in denen Guerillabewegungen gegen koloniale Herrschaft kämpfen, wie beispielsweise in Nicaragua und El Salvador. Für viele Frauen ist der militärische Einsatz nicht nur Teil des Kampfes für die Befreiung ihres Landes, sondern zugleich ein Ausbruch aus traditionellen Geschlechterrollen und ein Schritt in Richtung Emanzipation. Nicht selten wurden – und werden sie noch immer – nach dem Ende eines Krieges enttäuscht (King 2016, Henry 2017).
Ukrainische Militäroffizier*innen bei einer Übung in Lwiw, 24. Mai 2022 © picture alliance / ZUMApres.com / Mihir Melwani
Im Jahr 2002 hatte das Bundesverwaltungsgericht zu klären, ob es eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darstellt, dass Männer zum Wehrdienst verpflichtet werden, während Frauen davon ausgenommen sind. Das Gericht verneinte dies mit dem Hinweis darauf, dass Frauen in Deutschland in vielen gesellschaftlichen Bereichen weiterhin strukturell benachteiligt sind. Sie tragen nach wie vor den Großteil der Verantwortung bei der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Familienangehörigen und erzielen im Erwerbsleben im Durchschnitt geringere Einkommen als ihre männlichen Kollegen (BVerwG2002: 6 B 20.02). Eine geschlechtergerechte Wehrpflicht lässt sich daher nur im Zusammenhang mit den allgemeinen Rechten und Lebensrealitäten von Frauen beurteilen – und mit der Frage, wie diese Rechte in der Gesellschaft tatsächlich umgesetzt werden.
Frauen leisten einen wichtigen Betrag zur Verteidigungsbereitschaft eines Landes und zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen der Streitkräfte. Die Bundeswehr muss daher in allen Verwendungen für Frauen offenbleiben. Dennoch sehen sich Soldatinnen mit vielfältigen Vorbehalten und strukturellen Benachteiligungen konfrontiert. Ein Blick in andere Länder zeigt zudem, dass eine Ausweitung der Wehrpflicht auf Frauen nicht automatisch zu einer stärkeren Gleichstellung führt. Umso wichtiger ist es, die Rahmenbedingungen für sie in den Streitkräften zu verbessern. In der Bundeswehr gibt es dafür ein Referat für Chancengerechtigkeit und Vielfalt, das zahlreiche Projekte, Mentoringprogramme und Weiterbildungen von Führungskräften entwickelt und koordiniert.
Davon zu unterscheiden ist die grundsätzliche Frage der Wehrpflicht. Hier ist die Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zur „allgemeinen“ Wehrpflicht für Männer nach wie vor von Bedeutung: „Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers […] Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung […] müssen sicherheitspolitisch begründet werden. […] [Andere] Argumente können dann ruhig noch als Zusätze verwendet werden. Wehrpflicht glaubwürdig zu erhalten, […] heißt also zu erklären, weshalb wir sie […] benötigen“ (Herzog 1995). Diese Aussage gilt ebenso für eine mögliche Wehrpflicht für Frauen. Mehr noch, es braucht darüber eine breite gesellschaftspolitische Diskussion.
Apelt, Maja/Dittmer, Cordula: About Intervening in Vulnerable Societies: Gender in Military Peacekeeping of the Bundeswehr, in: Carreiras, Helena/Kümmel, Gerhard (Hrsg.): Women in the Military and Armed Conflict, Wiesbaden 2008, S. 63–80.
Barz, Sabine: „Genderperspektive ist ein wichtiger sicherheitspolitischer Faktor“, 14.02.2024, in: zebis (Website), URL: https://www.zebis.eu/veroeffentlichungen/positionen/genderperspektive-ist-ein-wichtiger-sicherheitspolitischer-faktor-ein-interview-mit-sabine-barz/ [eingesehen am 12.06.2025].
Groh, Kathrin: "Frauen sollten aus der Wehrpflicht komplett rausgehalten werden". Interview mit Kathrin Groh, 18.04.2025, in: MDR.de (Website), URL: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/wehrpflicht-frauen-ungerecht-bundeswehr-professorin-interview-102.html [eingesehen am 12.06.2025].
Henry, Marsha: Problematizing military masculinity, intersectionality and male vulnerability in feminist critical military studies, in: Critical Military Studies 3 (2017), S. 182–199.
Herzog, Roman: Ansprache von Bundespräsident Roman Herzog anlässlich der Kommandeurstagung der Bundeswehr, 15.11.1995, in: Der Bundespräsident (Website), URL: https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Roman-Herzog/Reden/1995/11/19951115_Rede.html [eingesehen am 26.05.2025].
King, Anthony: The female combat soldier, in: European Journal of International Relations 22 (2016), H. 1, S. 122–143.
Kümmel, Gerhard: Truppenbild ohne Dame. Eine sozialwissenschaftliche Begleituntersuchung zum aktuellen Stand der Integration von Frauen in die Bundeswehr, Potsdam 2014.
Lomsky-Feder, Edna/Sasson-Levy, Orna: Women Soldiers and Citizenship in Israel. Gendered Encounters with the State, Oxfordshire 2018.
Naraghi Anderlini, Sanam: Die Bedeutung der Resolution 1325 für die Europäische Friedens- und Sicherheitspolitik – ein kleiner Schritt für den Sicherheitsrat, ein großer Schritt für die Menschheit; in: Gunda-Werner-Institut & Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Hoffnungsträger 1325. Resolution für eine geschlechtergerechte Friedens- und Sicherheitspolitik in Europa, Königstein 2008.
Prange de Oliveira, Astrid: Weibliche Wehrpflicht: Welche Länder rekrutieren Frauen?, 05.04.2025, in: Deutsche Welle (Website), URL: https://www.dw.com/de/weibliche-wehrpflicht-welche-l%C3%A4nder-rekrutieren-frauen/a-72063030 [eingesehen am 12.06.2025].
Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, in: Der Koalitionsvertrag (Website), URL: https://www.koalitionsvertrag2025.de/ [eingesehen am 26.05.2025].
Wie funktioniert das schwedische Wehrdienstmodell?, 14.04.2025, in: Zeit Online (Website), URL: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2025-04/wehrdienst-deutschland-schwedisches-modell-faq#ist-die-fruehere-wehrpflicht-abgeschafft-worden [eingesehen am 26.05.2025].