Ruth Fridlendere war ein achtjähriges jüdisches Mädchen, als Deutsche im Sommer 1941 Lettland eroberten und zusammen mit örtlichen Helfern begannen, ihren Plan eines 'arischen' Reiches im Osten Europas zu realisieren.
Deutsche hatte Ruth bis dahin ausschließlich als freundliche, gute Nachbarn kennengelernt. Als ältere Damen, in deren Gärten sie mit Puppen spielte und die von ihren Eltern zu Kaffee und Kuchen eingeladen wurden. Im Unterschied zu den meisten ihrer Angehörigen überlebte sie die Herrschaft der Deutschen und die sorgfältig vorbereiteten Massenmorde an mindestens 90.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern in Lettland. Fast vier Jahre, bis zu ihrer Befreiung am 9. Mai 1945, lebte Ruth Fridlendere zusammen mit ihrer jüdischen Mutter und unterstützt von ihrem nicht-jüdischen Vater im Versteck - die meiste Zeit in einem Erdbunker im Garten eines nicht-jüdischen Paares am Stadtrand von Ventspils.
In ihrer Biographie wird beschrieben, wie das Leben von Ruth Fridlendere vor und nach der Zeit der Verfolgung verlief und welche Spuren die Kriegsjahre in ihrem Leben hinterlassen haben. Dabei wird den Erinnerungen der Überlebenden der Shoah derselbe Raum gegeben wie den Wahrnehmungen der Zeitzeugin der Lebensverhältnisse im sowjetischen Lettland der Nachkriegszeit sowie der drastischen politischen und ökonomischen Veränderungen nach der Unabhängigkeit Lettlands im August 1991. Entstanden ist auf diese Weise das Porträt einer Frau, die vieles war – musikbegeistertes Kind, Lehrerin, Ehefrau, Mutter, Pianistin, Liebende, hilfsbedürftige Rentnerin, leidenschaftliche Reisende – und noch im Alter den Mut und die Lust hatte, ihre Geschichte in einer der Sprachen ihrer Kindheit zu erzählen, die zugleich die Sprache der Mörder ihrer Angehörigen ist. Das auf biographischen Gesprächen mit Ruth Fridlendere basierende Buch beschreibt eine Überlebende, die sich wehmütig, lachend und ohne Bitterkeit daran erinnert, daß sie auch ein ganz anderes Leben hätte leben können.
Jens Hoffmann, geboren 1968, lebt als Autor in Berlin. 2008 wurde seine Studie „Das kann man nicht erzählen.“ 'Aktion 1005' - Wie die Nazis die Spuren ihrer Massenmorde in Osteuropa beseitigten, zu der er zur Zeit einen Ergänzungsband vorbereitet, im Konkret Verlag veröffentlicht.
Ort
Institut für Systemisch-Integrative Therapie und BeratungLeonhardstr. 10
14057 Berlin
Datum
7. April 2011, 19.30 Uhr
Eintritt frei, Spenden sind willkommen
Sie können auf "Lernen aus der Geschichte" eine Besprechung von "Aber wenn ich werd' schreien, wird besser sein" lesen.