Die Überlebenden des Holocaust, die sich nach dem Ende des Krieges in der sowjetischen Besatzungszone niederließen, schwankten noch etliche Jahre lang zwischen Bleiben und Gehen. Während die einen Deutschland nur als Zwischenstation auf dem Weg nach Palästina oder den USA ansahen, letztlich aber doch in Berlin, Erfurt oder Leipzig blieben, sahen sich andere zu Beginn der 1950er-Jahre erneut zur Flucht aus ihrer alt-neuen Heimat gezwungen. Nur ein kleinerer Teil schloss sich wieder zu jüdischen Gemeinden zusammen. Die meisten der aus dem Exil in den sowjetischen Machtbereich zurückgekehrten Juden standen der Religion eher fern und wollten am Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft mitwirken. Zwar verstand sich die DDR als antifaschistischer Staat, jedoch war sie mit dem gesellschaftlichen Nachlass des Naziregimes konfrontiert.
Die Tagung fragt anhand einzelner Aspekte, ob und wieweit dieser Anspruch eines Neubeginns in der SBZ/DDR eingelöst wurde: Freiheit der Religionsausübung, staatliche Unterstützung für die Gemeindegründung und besondere soziale Fürsorge für die Überlebenden waren überschattet von fortdauerndem Antisemitismus in der Bevölkerung, vom Scheitern einer Wiedergutmachungsregelung und von der stalinistischen Verfolgung, die phasenweise auch eine deutlich antisemitische Richtung aufwies. Auch in Thüringen sahen sich viele der früheren jüdischen Verfolgten zur erneuten Auswanderung gezwungen. In der Erinnerungspolitik dominierte der kommunistischen Widerstand, während die verfolgten und ermordeten Juden als passive Opfer galten, die „nicht gekämpft“ hatten. Die jüdische Widerstandsgruppe um den Kommunisten Herbert Baum wurde entsprechend dieser Logik zu einer kommunistischen Gruppe umgedeutet.
Datum
21 – 22. Juni 2021
Ort
Augustinerkloster ErfurtAugustinerstraße 10
99084 Erfurt
Informationen zum Programm und zur Teilnahme unter Pandemiebedingungen finden Sie unter "Download".