Die Tagung soll in ihrem ersten Teil die ereignis- und erinnerungspolitischen Dimensionen des Problems beleuchten. Im mittleren Teil wendet sie sich aktuellen Fragen des Gedenkens und der Erinnerung an die sowjetischen Kriegsgefangenen zu. Abschließend richtet das Symposiums den Blick auf Eisenhüttenstadt als einen Ort, der viele dieser Facetten bündelt: Zu den Stätten des Massensterbens der sowjetischen Kriegsgefangenen zählte das Kriegsgefangenenlager STALAG III B in Fürstenberg (Oder), heute Ortsteil von Eisenhüttenstadt. Mehr als 4.000 sowjetische Kriegsgefangene kamen in Fürstenberg zu Tode. Sie wurden in Massengräbern begraben und 1951 in die neu gegründete Arbeiterstadt überführt. Es entstand der damals größte sowjetische Ehrenfriedhof auf dem Gebiet des Landes Brandenburg. Über den Grabkammern wurde 1951 ein monumentaler Obelisk errichtet und in seinem Vorfeld ein weiträumiger Kundgebungsplatz geschaffen. Er hieß bis 1992 Platz der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, dann wurde er in Platz des Gedenkens umbenannt. 1953 vollzog Walter Ulbricht hier die Namensgebung von Stalinstadt, wie die Stadt bis 1961 hieß.
Bis zur politischen Wende blieb der Platz ein Ort politischer Manifestationen, vor allem des Bündnisbekenntnisses zur Sowjetunion und des rituellen Antifaschismus, aber zugleich auch ein Ort des alltäglichen Lebens. – Nur eines durfte er nicht sein: eine Stätte realer Erinnerung an die im STALAG III B umgekommenen sowjetischen Gefangenen. Mit dem Ende der DDR büßte der Platz seine überkommenen Funktionen ein, ohne dass sich neue Ansprüche auf ihn richteten. Als vergessener Raum im Zentrum der Stadt bildet er seitdem ein Symbol für ein verdrängtes Kapitel der jüngeren Vergangenheit. Bis heute erinnert (beinahe) nichts an das Schicksal der hier Begrabenen.
Welchen Stellenwert wird der Platz künftig als Gedenkort und als öffentlicher Raum besitzen? Wie gelangt man hier von einem anonymen, formelhaften „Gedenken“ zu historisch konkreter Erinnerung und Information, die Orientierungshilfe für die Zukunft bieten kann? Neue Ansatzpunkte eröffnen sich unter anderem dank der Initiative russischer Nachkommen von Opfern. Sie haben die Namen eines Großteils der Verstorbenen aus Archivunterlagen zusammengetragen und sie vor einigen Jahren der Stadt Eisenhüttenstadt übergeben. Sie sollen künftig über den Gräbern genannt werden.
Datum
Montag, 22. Juni 2020, 10:00-17:00 Uhr
Ort
Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDRErich - Weinert - Allee 3
15890 Eisenhüttenstadt
E-mail: info [at] alltagskultur-ddr [dot] de