Visuelle Medien spielen seit der Frühen Neuzeit eine Schlüsselrolle für die Genese des Antiziganismus. Das interdisziplinär angelegte Verbundforschungsprojekt "Stigma 'Zigeuner'. Visuelle Dimensionen des Antiziganismus" untersucht im Rahmen des "Field of Focus 3" mit vergleichenden Analysemethoden die zentralen Motive und Semantiken von "Zigeuner"-Bildern in unterschiedlichen visuellen Repräsentationsformen wie bildender Kunst, Fotografie oder Film. Dadurch soll eine empirische Grundlage geschaffen werden, um das Konstrukt vom "Zigeuner" in seinen
inhaltlichen, zeitlichen, geografischen und medienspezifischen Ausprägungen freizulegen.
Auf der Tagung wird eine im Rahmen des o. g. Verbundforschungsprojekts erarbeitete Fallstudie zu einem besonders wirkmächtigen Motiv - dem von "Zigeunern" begangenen Kinderraub - in seiner intermedialen Ausprägung vorgestellt. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem In- und Ausland präsentieren im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung aktuelle Forschungsergebnisse ihrer jeweiligen Disziplinen zur Rolle des Visuellen bei der Genese des Antiziganismus. Als key-note speaker wird Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal am 15. November um 18:15 Uhr über "Die Vorschrift der VOR-BILDER. Zum Nicht-Sehen-Wollen von Roma" im Hörsaal des IWH referieren.
Die Entwicklung visuell tradierter "Zigeuner"-Stereotype folgt medialen Eigenlogiken und ist zudem von literarischen Vorlagen wesentlich beeinflusst. Die Tagung will aufzeigen, wie unterschiedliche Repräsentationsformen des "Zigeuner"-Bildes auf vielschichtige Weise miteinander interagiert haben: Gerade diese Verbindungslinien und komplexen Wechselbeziehungen sollen untersucht und diskutiert werden.
Die Tagung markiert damit einen ersten Schritt hin zu einem für die Gegenwart hochrelevanten Erkenntnisziel: eine medienübergreifende
Phänomenologie des "Zigeuner"-Bildes und seiner Motivik sowie seiner Sinngehalte. In die Analyse einbezogen werden sollen auch inhaltliche Verbindungen und motivische Verknüpfungen zu anderen, verwandten rassistischen Diskursen, insbesondere zum Antisemitismus, zum Rassismus gegen Schwarze bzw. zu kolonialen Bildwelten und zur Misogynie.
Es handelt sich um die erste eigenständige Fachtagung der Forschungsstelle Antiziganismus, die im Juli 2017 am Historischen Seminar der Universität Heidelberg unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Edgar Wolfrum eröffnet wurde. In dieser bundesweit einzigartigen universitären Forschungseinrichtung werden Ursachen, Formen, Funktionen und Folgen des Antiziganismus in den europäischen
Gesellschaften vom Mittelalter bis in die Gegenwart in interdisziplinärer Perspektive untersucht.
Datum
15.11.2018 - 16.11.2018
Ort
Internationales WissenschaftsforumHeidelberg
Tag 1 - 15. November
13:00-14:00 Uhr Empfang
14:00-14:15 Uhr Grußwort: Prof. Dr. Peter Comba
14:15-14:30 Uhr Grußwort: Prof. Dr. Edgar Wolfrum
14:30-15:30 Uhr Panel 1 Leitfragen und Fallstudie
Dr. Frank Reuter - Universität Heidelberg: Visuelle Dimensionen des Antiziganismus: Mediale Metamorphosen
Radmila Mladenova M.A. - Universität Heidelberg: Fallstudie: Muster symbolischer Gewalt. Das Kinderaubmotiv in visuellen Medien
15:30-17:15 Uhr Panel 2 Frühe Massenmedien und Populärkultur
Chair: Laura Notheisen M.A. - Universität Heidelberg
Prof. Dr. Peter Bell - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: "Balkan-Typen" Postkarten als inszenierte Momentaufnahmen des frühen 20. Jahrhunderts
Sabine Girg M.A. - Universität Heidelberg: Das Spektakel des Fremden - La Primera Exposición Gitana (1948)
Dirk Suckow M.A. - Universität Leipzig: Von Robin Hood bis Heavy Metal. Zu "Zigeuner"-Images im Comic
17:15-18:15 Uhr Kaffeepause
18:15-19:45 Uhr Key-note Speech von Prof. Dr. Klaus-Michael Bogdal - Universität Bielefeld: Die Vorschrift der VOR-BILDER. Zum Nicht-Sehen-Wollen von Roma
20:00 Uhr Abendbuffet
Tag 2 - 16. November
9:00-10:45 Uhr Panel 3 Von der Literatur zur Oper
Chair: Dr. Bettina Kaibach - Universität Heidelberg
Prof. Dr. Iulia-Karin Patrut - Universität Flensburg: Strategien literarischer und künstlerischer (In)visibilisierung der "Zigeuner"-Eigenschaft
Prof. Dr. Dorothea Redepenning - Universität Heidelberg: Aleksandr Puskins Poem Cygany und Sergej Rachmaninovs Oper Aleko
Prof. Dr. Kirsten von Hagen - Universität Gießen: Auge und Ohr - zur Ästhetik und Funktion der Féerie im Kontext der Alteritätsinszenierungen in Vernes Roman Michel Strogoff
10:45-11:15 Uhr Kaffeepause
11:15-13:00 Uhr Panel 4 Von der Literatur zum Spielfilm
Chair: Verena Meier - Universität Heidelberg
Prof. Dr. Hans Richard Brittnacher- Freie Universität Berlin: Die "schöne Zigeunerin" - ästhetische Strategien der Verklärung und Denunziation
Prof. Dr. Matthias Bauer - Universität Flensburg: Das "andere Wissen" und die Macht der "Zigeunerin". Arkanum und Ambivalenz einer Projektionsfigur
Prof. Dr. Urs Heftrich - Universität Heidelberg: Die Darstellung der Roma in der tschechischen Literatur und Kinematographie
13:00-14:00 Uhr Mittagsbuffet
14:00-16:15 Uhr Panel 5 Filmdokumente und politische Emanzipation
Chair: Prof. Dr. Tanja Penter - Universität Heidelberg
Mag. Dr. Gerhard Baumgartner - Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Frühe Filmdokumente zur Geschichte österreichischer Roma und Sinti
Prof. Dr. Éva Kovács - Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien/Zentrum für Sozialforschungen an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest: "Der Deutsche hat den Vater meines Kindes verschleppt". Das optische Unbewusste und die diskursiven Grenzen der Roma-Repräsentation
Daniela Gress M.A. - Universität Heidelberg: Visualisierte Emanzipation. Strategien medialer (Selbst)Darstellung von Sinti und Roma
Schlussreflexion
André Raatzsch - Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma: Gibt es eine Ethik des Sehens?
16:15-17:00 Uhr Kaffeepause
Anmeldung
Wir bitten um eine verbindliche Anmeldung bis zum 5. November. Ein Online-Anmeldeformular finden Sie hier.
Kontakt
Radmila MladenovaHistorisches Seminar
Forschungsstelle Antiziganismus
Hauptstraße 216
69117 Heidelberg
Tel.: +49 (0)6221 54 30043