Das Ost-West-Europäische Gedenkstättentreffen in Krzyzowa/Kreisau richtet sich an Historiker und Mitarbeiter von Erinnerungsorten, Museen, Gedenkstätten, Bildungszentren, Menschenrechtsorganisationen oder Zeitzeugenprojekten. Anliegen des Gedenkstättentreffens ist das Kennenlernen sowie der Austausch von Wissen und Erfahrung. Die Darstellung historischer Epochen, Ereignisse oder Personen unterscheidet sich in den Staaten und Regionen Europas erheblich voneinander - wir
laden dazu ein, die nationalen oder auch lokalen Narrative und ihren Einfluss auf das jeweilige Verständnis von der Geschichte des 20. Jahrhunderts zu diskutieren. Wir hoffen, mit einem freien Meinungsaustausch über Wahrnehmungsmuster und Tendenzen unter den Teilnehmern aus unterschiedlichen Ländern einen Beitrag zum tieferen Verständnis und zur Versöhnung in Europa leisten zu können.
Das Gedenkstättentreffen hat eine lange Tradition und wir freuen uns, dass wir auch weiterhin zum Diskurs über Wahrnehmung und Erinnerung sowie über die Darstellung von Geschichte und Vergangenheit in den Ländern Ost- und Westeuropas einladen können. Das Seminar ist stark praktisch orientiert und keine wissenschaftliche Konferenz. Wir legen Wert auf den informellen Austausch: offene Gespräche und Reflexionen charakterisieren die Gedenkstättentreffen in Kreisau.
2018 widmet sich das Treffen der Fortschrittsgeschichte. Diktaturen und autoritäre Regime rechtfertigen tiefgreifende gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Veränderungen als Modernisierungsvorhaben und setzen diese mit Repressionen oder Zwang durch. Auch in Transformationsgesellschaften und Demokratien vollziehen sich komplexe Umwälzungen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft - und auch diese sind in spezifische nationale Narrative eingebettet. Wir diskutieren, wie die Nationen Ost- und Westeuropas historische Zäsuren erlebt haben und wie diese dargestellt werden - getragen von Optimismus oder gebremst von Zukunftsangst? Welche Einschnitte finden Eingang in das historisch-politische Bewusstsein? Welche Mythen halten sich im Volk, welche Veränderungen in Industrie und Landwirtschaft werden politisch instrumentalisiert und unterdrückt? Das Gedenkstättentreffen
thematisiert am Beispiel von Gedenkstätten und Museen in Ost- und Westeuropa die Ambivalenz von Modernisierungsbestrebungen. Diskutiert wird, wie an historischen Orten der Modernisierungswille dargestellt werden kann und auf welche Weise Repressions- und Industriegeschichte ineinandergreifen. Mit welchen Methoden können Gedenkstätten einer skrupellosen Technikbegeisterung vorbeugen und Phänomene wie Zwangsarbeit oder -umsiedlung aus der Perspektive der Opfer darstellen? Wir fragen nach der Rolle von Medien und Wissenschaft in der Entwicklung nationaler Narrative.
Übersetzt wird in diesem Jahr in die Sprachen Polnisch, Russisch,
Englisch und Deutsch.
Datum
21.03.2018 - 24.03.2018
Ort
Internationale Begegnungsstätte der Stiftung Kreisau für Europäische VerständigungKrzyzowa/Kreisau
Anmeldungen sind bis zum 07.03.2018 möglich bei:
Dominik KretschmannStiftung Kreisau
E-Mail: d [dot] kretschmann [at] krzyzowa [dot] org [dot] pl
Programm
Mittwoch, 21. März 2018
12.00 Uhr: Abfahrt mit dem Bus ab Berlin nach Kreisau, Treffpunkt Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Kronenstraße 5 in Berlin-Mitte
bis 18.00: Ankunft und Anmeldung
18.00 - 19.00: Abendessen
19.00 - 19.20 Begrüßung durch den Gastgeber Dominik Kretschmann, Leiter der
Gedenkstätte der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
Begrüßung und inhaltliche Einführung in das Gedenkstättentreffen durch
das Veranstalter-Team
Organisatorische Hinweise, Dominik Kretschmann
19.20 - 20.30: Interaktive Vorstellung, Kennenlernen aller Teilnehmer, anschließend Zeit für Gespräche
Donnerstag, 22. März 2018
10.00 - 12.00: Eröffnungsvortrag, Prof. Dr. Claudia Weber, Europa-Universität
Viadrina
Kommentar und Diskussion: Dr. Robert Zurek, Mitglied des Vorstands der
Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung
Moderation: Dr. Jacqueline Boysen, Evangelische Akademie zu Berlin
12.00 - 13.00: Mittagessen
13.00 - 15.00: Rundgang: Kreisau/Krzyzowa als Ort für Versöhnung mit der Vergangenheit? Führung: Dominik Kretschmann
15.00 - 15.30: Kaffeepause
15.30-17.30:Projektpräsentationen I - Großprojekte von Diktaturen
"Grossraum" - Ausstellung zur Zwangsarbeit in der Organisation Todt in Norwegen, Norwegisches Museum für Wissenschaft und Technologie, Dr. Ketil Andersen, leitender Kurator, Norwegen
The Sevan-Hrazdan irrigation and Nairit Factory, David Fidanyan, Civil Consciousness NGO in Yerevan, Armenien
Ausstellung "Der Donau-Schwarzmeer-Kanal: Ein programmierter Friedhof", Andrea Carstea, The Victims of Communism Memorial Civic Academy Foundation, Rumänien
"Es lebe Enver Hoxha, der Schutzpatron der Frösche und Mücken". Fortschrittsglaube, Propaganda und Repression im Kontext der Kominform-Krise, Boris Stamenic, Berlin/Zagreb
Moderation: Markus Pieper, Bundesstiftung Aufarbeitung, Berlin
17.30: Abendessen, anschließend Zeit zur freien Verfügung, Gespräche und Reflexionen
Freitag, 23. März 2018
09.00 - 11.00 - Projektpräsentationen II - Militärische Hinterlassenschaften
Cold War Museum in Zemaitija National Park - from idea to realisation, Giedrius Norvaisas, Deputy Director des Nationalparks Zemaitija und Ilona Urnikiene, Leiterin des Museums des Kalten Kriegs, Litauen
Die sozialistisch-industriell-architektonische Utopie von 1920/50 in Baku: Heute, Elmir Mirzayev, Deutschland,
Historisch-Technisches Museum Peenemünde, Michael Gericke, Direktor, Deutschland,
Denkort Bunker Valentin in Bremen, Deutschland (angefragt)
Moderation: N.N.
11.00 - 11.15: Kaffeepause
11.15 - 13.15 Projektpräsentation III - Der Umbau des Stadtraumes
Eisenhüttenstadt, Dr. Andreas Ludwig, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Deutschland
Rustawi als größter Industriestandort Georgiens, Irakli Khvadagiani, Soviet Past Research Laboratory in Tbilissi, Georgien
Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, Hanne Leßau, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Museen der Stadt Nürnberg, Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Deutschland
Städtebau Katowice, Muzeum Historii Katowic, Polen (angefragt)
Moderation: Annemarie Hühne, "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", Berlin
13.15 - 14.00: Mittagessen
14.00: Exkursion: Führung in der Jahrhunderthalle in Breslau
ca. 20.00: Abendessen im Restaurant der Jahrhunderthalle
ca. 22:00: Rückkehr nach Kreisau
Samstag, 24. März 2018
9.00 - 11.00 Projektpräsentationen IV - Forum historisch-politische Bildung und
Zeitzeugen
Memorial Inchisoarea Pitesti, Maria Axinte, Rumänien
Datenbank mit Zeitzeugenberichten von Zwangsarbeitern von den Channel Islands, University of Cambridge Institute of Continuing Education, Dr. Gillian Carr, Großbritannien
Studentenworkshops zur Erinnerung an die Trockenlegung der pontinischen Sümpfe 1930-40 in Italien, Dr. Irmgard Zündorf, Zentrum für Zeithistorische Forschung, und Dr. Vittoria Capresi, Chair of International Urbanism and Design - Habitat Unit, Technische Universität Berlin, Germany
LWL-Industriemuseum, Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur, Direktor Dirk Zache, Deutschland
Moderation: Anna v. Arnim-Rosenthal, Bundesstiftung Aufarbeitung, Berlin
11.00-12.00: Abschlussrunde, Feedback