Die Ausstrahlung der US-Miniserie Holocaust. Die Geschichte der Familie Weiss versetzte Ende der 1970er-Jahre das Fernsehpublikum der USA, Westeuropas und Israels in Aufregung. Die Serie war umstritten, die Rezeption blieb stets ambivalent, und sagte viel über den Umgang, die Erinnerung, das Vergessen beziehungsweise die Verdrängung des Judenmords aus. In Osteuropa konnte Holocaust erst nach der Wende ausgestrahlt werden, wodurch die Rezeption entsprechend verändert war.
Heute lässt sich konstatieren, dass die Trivialisierung des Schicksals einer deutsch-jüdischen Familie in den Jahren 1933-1945 einen Epochenbruch in der Erinnerung an die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden bewirkte und deren mediale Repräsentation maßgeblich beeinflusste. Die Serie markierte den Beginn einer globalen Erinnerungskultur, eröffnete das Potenzial für transnationale, universale Bezugsrahmen. Holocaust, ein vorher wenig bekannter und verwendeter Begriff, wurde nun zu einer - anfänglich durchaus noch umstrittenen - allgemeinen Bezeichnung des nationalsozialistischen Mordes an den Juden.
Die Simon Wiesenthal Conference 2014 nimmt den 35. Jahrestag der Ausstrahlung der Serie im österreichischen Fernsehen (ORF) zum Anlass, die Aufarbeitung des Holocaust in den US-amerikanischen sowie den europäischen - Ost und West ausdrücklich gleichermaßen - nationalen Fernsehkulturen in Augenschein zu nehmen und zu klären, inwieweit die Serie Holocaust, ob sie nun ausgestrahlt wurde oder nicht, die televisionäre Aufarbeitung des NS-Massenmordes beeinflusste.
Im Fokus steht dabei aber nicht nur die Miniserie Holocaust selbst, sondern auch die Analyse der Rezeption bzw. die Diskussion der Serie stellt nur den Aufhänger für eine breitere Untersuchung der Darstellung des Judenmordes im Fernsehen dar. Häufig wird vergessen, dass der Judenmord bereits vor der Ausstrahlung von Holocaust in zahlreichen TV-Produktionen - im trivialen, künstlerischen, fiktionalen, aber auch
dokumentarischen Bereich - thematisiert wurde. Dies führte auch im frühen Fernsehen zu heftigen Debatten, die - in unterschiedlichen politischen Systemen und je nach der spezifischen Erinnerungskultur der einzelnen Gesellschaften - unterschiedlich geführt wurden: Erwähnt seien nur die Übertragung des Eichmann-Prozesses im ungarischen Fernsehen 1962, Helmut Qualtingers legendärer Herr Karl im ORF im Jahr 1964 oder
Marcel Ophüls' Das Haus nebenan im Jahr 1969 in Frankreich, oder der -
nicht für das Fernsehen produzierte - Zweiteiler Shoah von Claude Lanzmann.
In den 1990er-Jahren kam es schließlich zu einem Paradigmenwechsel, nachdem sich sowohl im Fernsehen als auch in den neuen Medien innovative Möglichkeiten des Sprechens über den Holocaust, sowie die Möglichkeit, eingefahrene, zum Teil festgefahrene Gedächtnisparadigmen medial zu transformieren, ergaben, die noch einer tieferen Analyse bedürfen.
Die Konferenz möchte sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
- Wie prägten TV-Produktionen das Gedächtnis an den Holocaust? Wie sahen unterschiedliche landesspezifische Rezeptionen aus und haben bestimmte
- Produktionen zu einer Globalisierung, Universalisierung bzw. Amerikanisierung der Erinnerung an die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden beigetragen?
- Ist in den Produktionen eine bestimmte ästhetische Form auszumachen, die sich als visuelle Erzählung des Holocaust identifizieren lässt? Gibt es neue, innovative Annäherungen, die sich als Folge beziehungsweise Gegenreaktion zu bisherigen etablierten Formen der mediale Darstellung der Erinnerung an den Holocaust entwickelt haben?
- Welche Entwicklung haben die TV-Formate mit dem Fokus auf den Holocaust genommen? Welchen Stellenwert nahmen über die Jahrzehnte narrativ-fiktionale, dokumentarische und (gegebenenfalls) experimentelle Produktionen ein?
- Wo liegen die Grenzen der Repräsentation der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden in der medialen Darstellung?
Ausdrücklich willkommen sind Abstracts über die Rezeptionsgeschichte einschlägiger Fernsehproduktionen in den ehemaligen staatssozialistischen Ländern. Es können Einzelreferate, aber auch ganze Panels (maximal drei Vorträge) eingereicht werden.
Die Arbeitssprachen der Konferenz sind Deutsch und Englisch. Die Aufenthaltskosten werden vom VWI getragen. Das Institut ist zudem bemüht, für die Reisekosten eine gesonderte Förderung zu erhalten.
Bewerbungen in deutscher oder englischer Sprache mit einem Exposé des Themas im Umfang von maximal 600 Wörtern sowie einem kurzen Lebenslauf und einer Publikationsliste mit dem Betreff "SWC 2014" bis zum 22.06.2014 an
E-Mail: cfp [at] vwi [dot] ac [dot] at
Vienna Wiesenthal Institute for Holocaust Studies (VWI) in mit Zusammenarbeit dem Österreichischen Rundfunk (ORF)
Datum
04.12.2014-06.12.2014
Ort
Wiener Wiesenthal Institut (VWI)Desider-Friedmann-Platz 1/18
1010 Wien