Das Geheimnis verbindet die Eingeweihten und grenzt sie von den Außenstehenden ab. Gesellschaften und soziale Gruppen besitzen nicht nur selbst geheimes Wissen, sondern vermuten auch Geheimnisse beim jeweils anderen. Geheime Schriften und Sprachen, Lehren und Missionen konstituieren daher die Gesellschaft nach außen wie innen. Unabhängig vom Inhalt ist der Austausch von Geheimnissen soziale Interaktion.
Die nichtjüdische Umwelt sah Juden als die Geheimnisträger schlechthin: Zum einen gibt es in der jüdischen Tradition Geheimlehren wie die Kabbala, deren Verbreitung auf wenige Befugte beschränkt war. Zum anderen war das Wissen jüdischer Ärzte gefragt und die Alchemie galt als Geheimwissenschaft, an deren Verbreitung Juden maßgeblich beteiligt waren. Im antijüdischen Kontext vermutete man bei Juden magische Praktiken und der Talmud stand im Verdacht, ein christenfeindliches
Geheimwerk zu sein. Ein weiteres, die Jahrhunderte überdauerndes Stereotyp ist die Mitgliedschaft von Juden in Geheimbünden wie der Freimaurerei.
Die Tagung diskutiert das Themenfeld sowohl aus der innerjüdischen Perspektive als auch aus der Wahrnehmung von außen. Einige Vorträge werden sich mit antisemitischen Konstruktionen von Verschwörungstheorien beschäftigen - bis heute aktuelle Themen mit großer medialer Präsenz.
Mittwoch, 4. Juli 2011
9.30 - 9.45
Begrüßung
Martha Keil, Gerhard Langer
9.45 - 10.30
Daniel Jütte / Cambridge, Massachusetts
Das Zeitalter des Geheimnisses und die Rolle der Juden in der Ökonomie
des Geheimen
11.00 - 11.45
Barbara Staudinger / St. Pölten
Auch ein Christ kann ein Jude sein. Zur jüdischen Konnotation des
"Geheimnisses" in der Frühen Neuzeit
11.45-12.30
Martha Keil / St. Pölten
Geheime Polemik in spätmittelalterlichen Geschäftsurkunden
14.30 - 15.15
Schlomo Spitzer / Ramat Gan
Torat ha-Sod, die geheime Lehre des Judentums
15.15 - 16.00
Rebekka Voß / Frankfurt/Main
"Sturmwind von Norden": Ein leidenschaftlicher Streit um die
Prophezeiungen des Ascher Lemlein (ca. 1502)
16.30 - 17.15
Knut Martin Stünkel / Bochum
"Das eigentlich Religiöse an der Religion". Die Bedeutung des
Geheimnisses für das Judentum bei Max Wiener
Donnerstag, 5. Juli 2012
9.30 - 10.15
Gerhard Langer / Wien
Wissen und Macht: Aspekte des Geheimnisses in der rabbinischen
Literatur
10.15 - 11.00
Luisa Banki / Konstanz
Geheime Beziehungen. Das Deutsch-Jüdische bei Walter Benjamin und Franz
Kafka
11.30 - 12.15
Julian A. Friedrich / Berlin
"Ansturm gegen die letzte Grenze". Franz Kafkas poetologisches
Geheimnis
14.30 - 15.15
Clemens Räthel / Berlin
"Gibt es denn hier niemanden, der weiß, wie ein Jude aussieht?" Norwegen
und seine/keine Juden
15.15 - 16.00
Magdalena Waligórska /Berlin
Jewish secrets and Jewish investigators in contemporary Polish and
German criminal novels
16.30 - 17.15
Philipp Mettauer / St. Pölten
Die Großen, die flüstern dann, weil die Kinder sollen nicht hören."
Geheimnisse verfolgter Familien im Nationalsozialismus
Freitag, 6. Juli 2012
9.30 - 10.15
Claus Oberhauser / Innsbruck
Simoninis Brief und die angebliche Verschwörung der Juden
10.15 - 11.00
Michael Hagemeister / Bochum
"Die Geheimnisse der Weisen von Zion" und der Mythos der jüdischen
Weltverschwörung
11.30 - 12.15
Matthias Falter / Wien
Antisemitische Konstruktionen und inszenierte Aufdeckungen von
"Geheimnissen" im österreichischen Abgeordnetenhaus 1861-1918
14.30 - 15.15
Alexander Friedman / Saarbrücken
Zum Stereotyp einer "jüdisch-freimaurerischen Verschwörung" in der
Sowjetunion und im postsowjetischen Raum
15.15. - 16.00
Anne D. Peiter / Saint Denis/Réunion
"Jüdische Geheimhaltung" und geheimpolizeiliche Hausdurchsuchungen im
Spiegel der Tagebücher Victor Klemperers
16.00-16.30
Barbara Staudinger
Zusammenfassung
Kontakt
Barbara StaudingerInstitut für jüdische Geschichte Österreichs
Dr. Karl Renner Promenade 22
3100 St. Pölten
Tel.: +43-02742 77171-0
E-Mails: office [at] injoest [dot] ac [dot] at
Datum
4.-6. Juli 2012
Ort
Institut für jüdische Geschichte Österreichs, Institut für Judaistik/Universität WienPetersplatz 7
1010 Wien
Quelle: HSozKult