Die Ausstellung Was Wir Sehen setzt sich mit der verstörenden Geschichte historischer Ton- und Bilddokumente aus dem südlichen Afrika auseinander. Im Zentrum steht das 1931 von dem deutschen Künstler Hans Lichtenecker (1891–1988) als „Archiv aussterbender Rassen“ angelegte Körperarchiv von Afrikanerinnen und Afrikanern in Namibia, dem ehemaligen (Deutsch-) Südwestafrika. Was Wir Sehen rückt das Sprechen jener Menschen in den Mittelpunkt, die innerhalb eines kolonialen Kontextes Gesichtsabformungen, Körpervermessungen, anthroprometrische Fotografieren und Stimmaufnahmen erdulden mussten. Auch Stimmen galten als anthropologisches Sammlungs- und Klassifizierungsgut und wurden von Lichtenecker auf Wachswalzen aufgezeichnet.
Erst 2007 konnten die originalen Wachswalzen digitalisiert werden. Anschließend wurden sie in Namibia transkribiert und übersetzt. Die Übersetzungen ergaben erstaunliche, oft bestürzende Kommentare zu Lichteneckers Abbildungs- und Vermessungsprojekt, aber auch zur kolonialen Lebenssituation von Afrikanerinnen und Afrikanern im Namibia von 1931. Die Ausstellung konstruiert einen fragilen Raum von Bildern und Stimmen, Geschichten und Porträts, historischen Dokumenten und aktuellen Kunstwerken. Das koloniale Körperarchiv von Hans Lichtenecker wird nicht
nachgebildet. Vielmehr werden seine audiovisuellen Repräsentationspraktiken kritisch und mittels unterschiedlicher Ton- und Bildmedien beleuchtet.
Zur Ausstellung liegt der mit vielen Fotografien, Tontranskriptionen
und Übersetzungen von Anette Hoffmann herausgegebene wissenschaftliche Aufsatzband What We See. Reconsidering an Anthropometrical Collection from Southern Africa: Images, Voices, and Versioning vor.
Programm
15.05.2012, 18.00 Uhr Eröffnung
Mit einem Vortrag von Dr. Anette Hoffmann
30.05.2012, 18.00 Uhr Filmvorführung
Philip Scheffner: The Halfmoon Files. A Ghost Story... (2007) mit anschließender Diskussion in Anwesenheit des Regisseurs
06.06.2012, 18.00 Uhr Filmvorführung
Sarah Vanagt: Boulevard d‘Ypres (2010) mit anschließender Diskussion in Anwesenheit der Regisseurin
08.06.2012, 10.00 -18.00 Uhr
Workshop „Listening to Colonial Archives“
05.07.2012, ab 17.00 Uhr
Abschlussveranstaltung mit Gespräch zu „Sensiblen Sammlungen“ mit Britta Lange und Regina Sarreiter
Zur Ausstellung erscheint die Publikation Was Wir Sehen. Bilder, Stimmen, Rauschen. Zur Kritik anthropometrischen Sammelns mit Texten von Anette Hoffmann, Britta Lange und Regina Sarreiter.
Für Anfragen zu Führungen und weitere Informationen: regina [dot] sarreiter [at] hu-berlin [dot] de
Eintritt ist frei.
Veranstaltungsort
Zentrum Moderner OrientKirchweg 33
14129 Berlin