Die Beziehungen zwischen den NS-Krankenmordaktionen im Reich sowie in den besetzten Gebieten und der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden sind sowohl vielfältig wie auch bis heute umstritten. Die »Euthanasie«-Aktion T4 begann zeitlich vor dem systematischen Judenmord. Personal aus den Zentren des Krankenmordes wurde bei der Ermordung der polnischen Juden eingesetzt. Die Mordmethode, Gas, scheint Verbindungen geradezu anzubieten.
Eine Reihe von Fragen schließen sich an: Wie stark waren oder gab es kausale Zusammenhänge? Wie sind die personellen Verflechtungen zu bewerten? Erwuchsen beide Mordaktionen aus verwandten ideologischen Wurzeln? Welche Rolle spielten Gleichzeitigkeiten und Ungleichzeitigkeiten bei der Umsetzung der Mordprogramme? Ziele der Tagung sind, die gesellschaftlichen und staatlichen Grundlagen für die
Ermordung kranker Menschen vor dem Hintergrund des Genozids an den Juden
und dabei zugleich die Beziehungen zwischen zwei umfassenden NS-Mordprogrammen präziser zu bestimmen.
Datum
24. - 26. November 2016
Orte
Goethe-UniversitätCampus Westend
Casino 1.801 Gedenkstätte Hadamar
Mönchberg 8
65589 Hadamar
Programm
Donnerstag, 24. November 2016
(Goethe-Universität, Campus Westend, Casino 1.801)
13:00 Uhr
Begrüßung und Einführung:
Jörg Osterloh (Fritz Bauer Institut)
Jan Erik Schulte (Gedenkstätte Hadamar)
13:30-15:45 Uhr
1. Sektion: Gesellschaftliche und ideelle Grundlagen
Moderation: Florian Schmaltz (Berlin)
Thomas Etzemüller (Oldenburg): Mordbrenner oder Sozialingenieure? Eine
alternative Deutung der »ambivalenten Moderne«
Michael Schwartz (München): Biopolitik und »Euthanasie« im
internationalen Kontext
Volker Roelcke (Gießen): Biopolitische Ideen als Voraussetzung für die
»Euthanasie« bis 1938/39
15:45 Uhr
Kaffeepause
16:15-17:45 Uhr
2. Sektion: Nationalsozialistische Politik
Moderation: Jan Erik Schulte (Gedenkstätte Hadamar)
Wolf Gruner (Los Angeles): Judenverfolgung und Judenpolitik bis Kriegsbeginn
Uwe Kaminsky (Bochum): Sterilisation und »Euthanasie« - Marginalisierung und Notstandsdenken
20:00-21:45 Uhr
Öffentlicher Abendvortrag
Moderation: Jörg Osterloh (Fritz Bauer Institut)
Frank Bajohr (München): Reaktionen der Bevölkerung auf »Euthanasie« und
Holocaust
Freitag, 25. November 2016
(Gedenkstätte Hadamar)
10:00-12:00 Uhr
Rundgang Gedenkstätte Hadamar
12:00 Uhr
Mittagspause
13:00-15:15 Uhr
3. Sektion: Übergänge zwischen »Euthanasie« und Holocaust
Moderation: Markus Roth (Gießen)
Monica Kingreen (Pädagogisches Zentrum Frankfurt): Verschleppung und
Ermordung jüdischer Kranker 1940/41: Das Beispiel Hessens
Enno Schwanke (Köln): Die »Musterheilanstalt« Tiegenhof - Jüdische Patientinnen und Patienten als erste Opfer der nationalsozialistischen »Euthanasie« in Polen
Astrid Ley (Oranienburg): Vom Krankenmord zum Genozid. Die »Aktion 14f13« in den Konzentrationslagern
15:15 Uhr
Kaffeepause
15:45-18:00 Uhr
4. Sektion: Transfer von Personal und Technologie?
Moderation: Wolf Gruner (Los Angeles)
Hagen Markwardt (Pirna): Von Auschwitz nach Sonnenstein. Die »Sonderbehandlung 14f13« und die »Effizienz« des NS-Krankenmordes
Sara Berger (Rom): »Das Umbringen war schon ihr Beruf«. Das Personal der
»Aktion T4« in den Vernichtungslagern der »Aktion Reinhardt«
Jan Erik Schulte (Gedenkstätte Hadamar): Kein einfacher Nexus: Auschwitz, die »Aktion Reinhardt« und die NS-Krankenmorde
Samstag, 26. November 2016
(Goethe-Universität, Campus Westend, IG-Farben-Haus, IG 311)
9:00-12:00 Uhr
5. Sektion: Justizielle Ahndung und gesellschaftliche Reaktionen
Moderation: Ulrike Weckel (Gießen)
Paul Weindling (Oxford): »Euthanasie«-Verbrechen vor den Nürnberger Tribunalen
Edith Raim (Wien): Die Ahndung von »Euthanasie«- und Holocaustverbrechen durch die Justiz in Westdeutschland seit 1945
Hagen Markwardt (Pirna): Der Dresdner »Euthanasie«-Prozess 1947
Katharina Rauschenberger (Fritz Bauer Institut): Die Rolle des Ostberliner Rechtsanwalts Friedrich Karl Kaul in westdeutschen »Euthanasie«-Prozessen
12:00-13:00 Uhr
Abschlussdiskussion und Ende der Tagung
Teilnahme nur nach vorheriger Anmeldung; diese wird in der Reihenfolge
des Eingangs berücksichtigt. Bitte genaue Angabe, an welchen Tagen die
Teilnahme erwünscht ist. Anmeldeschluss: 7. November 2016.
Anmeldung an
Dorothee BeckerE-Mail: d [dot] becker [at] fritz-bauer-institut [dot] de